Über den Geist des Zeitalters und die Gewalt der öffentlichen Meinung

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Gleichwohl iſt mit ihrem Zunehmen die Hypochondrie beynahe das herrſchende Temperament des Zeitalters geworden. Weit entfernt dieſe Verſtims mung unſerer hohern Cultur beyzumeſſen, müſen wir ſie vielmehr in dem zunehmenden Mißverhälts uiſſe zwiſchen der Cultur unſerer Sinnlichkeit und den Hinderniſſen ſie zu befriedigen ſuchen, weil wie alle ſinnliche Dinge nur nach dem kleinen Maaße ſtabeunſerer Empfindungen zu vergrößern pflegen.

Durch Leſen und Lernen ſind wir mit den Bez griffen des edelſten Luxus, mit den Süßigkeiten des feinen, reichen und unabhängigen Lebens ver« traut, und unſere Bedürfniſſe ſind durch dieſe Ver« geiſtigung reizbarer und zahlreicher geworden ; aber eben. darum wird die Dürftigkeit, welche uns den Weg zum Genuſſe verrenut, lebhafter empfunden. Der Geiſt nährt nun Anſprüche in eben dem Maaße, wie er zum Bewußtſeyn ſeiner Würde gelangt, und fühlt ſich in unnatürliche Schranken geklemmt, die ‘er zu überſteigen verſucht, und über furz oder lang ſprengen muß. So nährt er den Revolutions» geiſt, und ſo erfolgen endlich gewaltthätige Durchs brüche aus einem bekannten Zuſtande in einen unbekannten oder gewünſchten, von dem. er ſich für ſcine Bedúrfniſſe und Wünſche mehr verſpricht.

Dieſe Unzufriedenheit mit dem Gegenwärtigen,