Битеф

waschen. Wasser. Ihr tut so, als wenn's ganz hinten wäre. An die Wände bitte. So schnell wie immer laufen. Pause. Stille. Schwitzen.

GEDANKEN EINES

PROBENBEOBACHTERS 111 EiNIELNEN

ABLAUFEN ONO ELEMENTEN

»... Macbeth mordet den Schlaf«, ein Mann zerstößt die Worte zu Silben läuft wie gehetzt auf der Bühne hin und her, reißt den Arm hoch, sieht auf die Uhr. Die hingespuckten Laute sind kaum zu verstehen. Deshalb werden wenig Besucher überhaupt wahrnehmen, daß hier Shakspeare gesprochen wird. Oder darüber nachdenken, ob Macbeth dieser gehetzte Mann ist, ob der Mörder Macbeth nicht eher diesem Gejagten und Jagenden ans Leben will. Jeder ist Macbeth. Wir brauchen nicht Shakespeare im Ohr, um das zu verstehen. Jeder hetzt und ist gehetzt, jeder folgt und verfolgt, jede, jeder wird schuldig am andern, an seinem Gefährten, macht ihn zum Mitschuldigen. Was ist Macht, wer hat sie? Wer, der sie greift, könnte sie auch begreifen? Die Hand war’s, sie tat es, die Hand wird schuldig. An jeder Hand haftet Irrtum. Alle müssen Hände verstecken, Täterhände, Mörderhände. Wohin nur mit den Händen, nirgends sind sie gut versteckt, nicht unter dem Kleid, unter dem Sofakissen, im Hosenbein, unter den Haaren. Zeig mal das böse Händchen. Sie lassen sich nicht fortwerfen. Vergessen lassen sie sich nie, auch mit geschlossenen Augen nicht. In jeder Verrenkung verraten sie sich. Hände, halten, Halt. Zeig mal das böse Händchen. Sie suchen Maß an den Dingen, wie in einem Sessel, einer Zinkbadewanne, als könnten sie noch mit irgend etwas umgehen, dabei krampfen sie und zittern an allem, dessen sie habhaft werden wollten und das doch nur tot ist, leblos, Ding. Auch der Mensch, die Frau wird zu einem solchen Ding. Vergebt den Respekt nicht, sagt Rina Bausch einmal. Nichts ist glatt, im Konzept ausgeweidet. Da ist immer ein Geheimes, das zwar zu sehen sein soll, sich mit Worten aber allenfalls andeuten läßt. Dieses Geheime verhindert, daß ein Mensch völlig zu einem Möbel, einer Hülse entleert sein kann. Die Verräterhände, der Verräterkörper sprechen eine beklemmende Sprache aus dem Unbewußten, eine Sprache von Schuld und Angst. Deshalb muß versteckt werden. (Versteckt sein muß. Eins, zwei, drei, vier Eckstein, alles muß versteckt sein.) Es gibt noch eine andere Sprache der Hände, des Körpers: die Zeichensprache des alltäglichen Miteinanders, wie Zeigen, Herwinken, sich die Hände reiben, Achselzucken, Nackenbeugen ...

Die Darsteller haben sich unsere Körpersprache angeeignet, sie zeigen sich und uns mit unseren Zeichen, wie wir vergeben überspielen, verraten. Dabai ist ermutigend zu sehen, wie jede Geste, jedes Augenbrauenziehen bei jedem anders spricht. Zeichen sind Übereinkünfte. Die Menschen brauchen Übereinkünfte und mißbrauchen sie. Wenn zwei sich mit Hilfe einer Übereinkunft verständigen, kann einer das Vertrauen ausnützen. Jedes »Ich« ist ein kleines Grenzland über dessen Grenzen hinweg Sprachen, Bewegtsein ins andere Grenzland reichen. Als hätte jeder Mensch seine eigene, fatale Nationalität. Oder sein Territorium, das zu begreifen, markieren er Sekrete von Schweiß läßt, oder Hautteilchen, wie ein Tier. Den Darstellern zusehen und sehen, wie sich die Zeichen verselbständigen, wie sie zu montierbaren Fertigteilen werden, wie sie mit uns umgehen statt wir mit ihnen, wie sie sich nicht mehr zusammenfügen lassen, weil der Macbeth in jedem von uns Zeichen verstellt, uns einen hohen Grad von Verstellung aufzwingt, zur Beschwichtigung des gefährlichen Gegenübers; mehr noch, gewalttätiger, zu seiner Manipulation. Und sehen, wie Macbeth letztlich immer selbst erliegt. Auch Lady Macbeth hintergeht unser Einverständnis. Die Bühnenwirklichkeit erleichtert uns die Erkenntnis. Da kann sie freundlich ihren Gästen die Arme öffnen und gleichzeitig ihren Mordplan herausschreien. So leicht haben wir’s im Alltag nicht, die Doppelbödigkeit unseres Verhaltens zu durchschauen. Konsequenterweise ist auch Lady Macbeth nicht nur von einer Frau dargestellt. Die Sonne bringt’s an den Tag Mord und Verletzgedanken, Schuldgefühle, alles, was einer ins Unbewußte verdrängt, wird dort umgesetzt, bricht wieder herein in das Handeln des hilflosen Menschen wie Geister der Rache, in verzerrenden, verräterischen, ja kranken Gebärden. So wird der Mörder verraten. Aber nicht nur er. Auch der, der harmloser auf Pirsch ist, der seine Verlegenheiten überspielen will. Im Amüsanten ist eine gefährliche Nervosität. »Gesteigerte Zärtlichkeit«, wir machen »gesteigerte Zärtlichkeit«, sagt Rina Bausch. Oder; Wir machen Schlafen. Riechen. Hören. Ekel. Was loswerden. Hoffentlich gehst du bald wieder. Überrascht. Klopfen. Atmen. Angst. Sicher. Großkotzig. Willkommensgesten. Es gibt eine Art eigener Sprache für das Ensemble. Kämpf dich da durch, bis dir was einfällt, sagt Rina Bausch. Macbeth mordet den Schlaf. Rina Bausch bringt ihn um, mordet die Scheinsicherheit. Eindringlich, unaufhaltsam. Auch die Exzesse werden teilweise still. Da dringt etwas durch den inneren Schorf eines jeden, daß er das helle Blut wieder spürt, den eigenen Atem, den Atem des anderen. [Texte: Ille Chamier/Vivien Newport]