Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

Roman von Adolph Stre>fuß. 9

„Eine Heimliche, unglü>liche Liebe!“ fo werden die Fomandichter flüſtern. „Sein Vater wollte ihn zwingen, ein hochadeliges Fräulein zu heirathen, in der Verziweif= lung hat er ſich das Leben genommen!“ Natürlich, irgend einen Grund muß do< ein Menſch haben, wenn ex dieſem erbärmlichen, langweiligen Leben entflieht! Die Thoren! Wenn es ſi< der Mühe verlohnte, überhaupt zu leben, weshalb hätte i< dann meinem Papa nicht den Willen thun follen? Die oder jede Andere, es iſt immer der gleiche ſangweilige Schwindel.“

Er hielt den Revolver in der halbgehobenen Hand, aber plögli ließ ex dieſe ſinfen und aufhorchend richtete er ſich in die Höhe.

Ein heller Ton unterbra< die Waldesſtille, der Ton einer ſingenden Mannesſtimme. Der Sänger, der mit einem flangreichen Tenor den Choral „Jeſus meine Zuzverſicht“ angeſtimmt hatte, fonnte fi< nur in geringer Entfernung befinden.

Der junge Mann zog exzürnt die Stirn zuſammen. „Verwünſcht, das iſ eine unwillkommene Ueberraſchung !“

murmelte er. „Wenn i<h jeht ſchieße, hört es dex verrücéte Choralſänger, und dann? Dann wird der prächtige Skandal in Berlin verdorben ; die Leiche wird ſogleich gefunden, und morgen ſchon weiß es die ganze Stadt. Nein, die guten Leute ſollen ſi< erſt eine Zeit lang die Köpfe darüber zerbrechen, wo ih geblieben. Mein Herr Papa muß doch Gelegenheit haben, zu zeigen, welch? zärtlich beſorgter Vater er iſt. Wix müſſen uns einen anderen, beſſeren, no< weiter entlegenen Plaß ausfuchen, vorher abex wollen