Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.
Roman von Adolph Strecfuß. 43
ſchuldig, daß Sie fommen. Adieu, Herr v. Ernau, hier iſt mein Sonnenſchirm. Die unten warten ſchon auf mi. Sie müſſen alfo jedenfalls vor Sonntag kommen, adieu !“
Schnellen Schrittes eilte ſie fort, aus dem Wagen grüßte fie und auh Bertha noch einmal nah dem Fenſter hinauf, und als der Wagen aus dem Hofthore fuhr, winkte ſie mit dem Sonnenſchirm Egon den lebten Abſchieds= gruß zu.
Noch lange Zeit ſtand Egon am offenen Fenſter und ſchaute gedanfenvoll dem längſt ſchon entſ<wundenen Wa= gen na<h. Wax denn wohl möglich, was ex ſoeben ge= hört hatte? — Bertha hatie Klara eingeweiht in das Ge= heimniß ihrer Liebe, und Klara, das übermüthige, ſachende Kind, ließ ſich verführen, dieſe Liebe zu ſhüßen? Es war unglaubli<h, und do< ließen ihre lebten Worte feinen Zweifel zu.
Und Bertha! Konnte ex an ſie zurüdenken, ohne daß die Schamröthe ihm die Wangen färbte ? Er hatte Wangen nicht frei in’s Auge ſchauen fönnen, ſie aber hatte es gefonut, ſie war mit dem Bewußtſein der Schuld ſo einfa< natürlich geweſen, eine vollendete Schauſpielerin hätte fich nicht trefflicher verſtellen können. Sie hatte ſcher= zen, dur< eine Anſpielung auf das Glü> der lebten Stunde hindeuten und die Hoffnung auf einen ungeſtör= ten längeren Genuß ausſprechen fönnen, ohne zu ervöthen ! Ihm graute vor dieſer Falſhheit. „Trauen Sie ihr nicht, fie hat ein falſches Herz!“ ſo tatte Klara ihn ‘gewarnt, und nun diente ſie ſelbſt der Falſchen, nun lud ſie ihn ſelbſt ein, ſo bald wie mögli nah Linau zu kommen!