Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
Novelle von Schmidt-Weißenfels. 179
regung aus einer beſorgnißvollen Neugier hervor, von welcher Toni am meiſten ergriffen wurde.
Sie betrachtete lange das Schreiben und wagte es gar niht zu öffnen. Dann entſprach ſie der Aufforderung ihres Vaters wié ihrer Schweſter dazu mit leiſe zitternden Händen. Eine Minute lang ſah man ſie mit ſi< weiz tenden, fieberhaft glänzenden Augen in dem entfalteten Briefe leſen; dann ſtieß ſie, indem ſie von ihrem Sie auſſchnellte, einen furzen Laut des Entſehens aus, er= bleichte bis auf die Lippen und eilte, ohne ein Wort zu ſagen, aus dem Zimmer, die Anderen dort in einer förns=lichen Beſtürzung zurü>laſſend.
Der Brief mußte ſomit in der That etwas ſehr Wichtiges, wie man von vornherein vermuthet hatte, enthalten. Aris und Renate machten ihrer Aufregung deswegen Luſt und fragten ſich gegenſeitig, was ſi mit Arnold exeignet haben und auf Toni einen ſolchen erſchre>enden Eindruck verurſachen könne. Dex Juſtitiar grübelie; dann ſagte er: „Am Ende eine Nachricht von ihm!“
Man verſtand ihn. Er meinte damit Toni's Mann, und man ſtimmte ‘ihm zu. Denn was follte Toni An= deres ſo erregend angehen? Arnold für ſeine Perſon bez reitete ihr ſicherlich feine Aufregung ohne den zwingend= ſten Grund.
So wartete man denn in einer bangen Stimmung und darüber unheimlich werdenden Stille wie auf ein wichtiges Uxtheil, das gefällt werden würde. Offenbar, Toni las den Brief, um ſeinen Jnhalt allein und unbeläſtigt durch Zeugen auf ſi< wixken zu laſſen, in ihrem Zimmer.