Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.
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Roman von Georg Hartwig. 113
„Haben Sie den Tannhäuſer mit der Geifer als Eliſa= beth ſchon geſehen?“ fragte der Graf ſehr intereſſirt, während Dreyſing mit wahrhafter Wuth den Schnee von ſich ab= ſchütlelte. „Sehen Sie, in dieſer Frauengeſtalt —“
„Thun Sie mix den einzigen Gefallen und ſparen Sie Jhren Panegyrikus für die Veuve Cliquot auf! Was thue ih jeht mit ſämmtlichen Eliſabethen der Welt, ſo lange mi friext und durſteï! Aber die Jugend, die iſt nicht todt zu kriegen mit ihrem heißbliitigen Enthuſias= mus! Kellner!“
Sie traten in den Speiſeſaal ein und erfuhren zu ihrem Verdruß, daß ſämmtliche Nebenräume beſebt ſeien, dagegen zeigte ſich immerhin einladend in einer niſchenförmigen Mauervertiefung, weit genug von ſämmtlichen Tiſchen entfernt, um ungehört plaudern zu können, ein Liſch für vier oder fünf Perſonen.
„JH denke, etwas iſ beſſer als gax nichts!“ ſagte Dreyſing, ſich bequem niederlaſſend.
„Selbſtredend! Sie unterbrachen mich vorhin zu ſchnell, ih wollte bemerken, daß die Perſon der Sängerin mix vollſtändig gleichgiltig iſt, nur die Treue dieſer idealen Frauengeſtalt bis zum Tode feſſelt mich.“
„E38 gibt keine Treue bis zum Tode,“ bemerkte Drey= ſing tro>en, indem er die Speiſekarte überflog. „Dem Hunde iſt ſie angeboren, dem Menſchen niht! Wie denken Sie über Kalbsbruſt mit Tomatenſauce ?“
„Jh weiß eigentlich niht, weshalb ih mich ſtets Jhren ſatiriſchen Geißelhieben ausſeße!“ ſagte der Graf halb
Bibliothet. Jahrg. 1886. Bd, Il. 8