Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.
Von B, v. Wolfshofer. 927
allerdings urſprüngli elſäſſiſhen Lanz, welcher jedo<h bei dem Umweg über den Hof Ludwig!s XIV. jeden deutſchen Zug vollfommen eingebüßt hatte. Die Bevölkerung Wiens in ihrer großen Allgemeinheit kümmerte ſich un den ver= wälſchten „Langaus“ Martinis ebenſo wenig, wie um die franzöſiſche „Allemande“. Wenn der Wiener ſein Kirchzweihfeſt beging, drehte er ſich no< immer nah ſeinem alten prächtigen Ländler und juchzte ſeinen Schnadahüpfl dazu.
Ín demſelben Maße, wie dann Herrſcherhaus und Hof in Wien zum Deutſchthum zurü>fkehrten, wurde auch die Muſik dieſes Volkstanzes dadurch beeinflußt. Die erſten Symptome der neuen Epoche geigen ſi<h unter Maria The-= reſia, um dann unter Joſeph Il. und Franz T. immerx mächtiger anzuſchwellen. Der volfsthümliche Ländler findet endlich den Komponiſten, welcher ſich ſeiner annimmt, um ihn von feinen Schla>ten zu befreien. Natürlich war dies ein e<t Wiener Kind, ein Sohn des Volkes, durchſtrömt von dem Blute der Aelpler, die ſich einſt bis in die Nie=derungen der Donau hinein anſiedelten. Die Ländler, welche Franz Schubert fkomponirte, mahnen no< an die Gebirgsluft. Bei all? ihrer berauſchenden Schönheit athmen ſie gleichſam die echte Naivetät eines jubilixenden Volk8= gemüthes. Es konnte auch Niemand für eine ſolche Schö= pfung berufener ſein, als Franz Schubert. War ex doch in der That aus der unterſten Schicht des Volkes hervor= gegangen, no< dazu aus jener Vorſtadt, wo fi Ländler und Schnadahlipfl am friſcheſten erhalten hatten — aus Nußdorf, wo ſi Nebe an Rebe über den Bergrücken ſpinnt bis herunter zur \{önen blauen Donau.