Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
58 | Der [ete Folfunger.
Das Gefühl der Königin ſiegte über die Sehnſucht dex Muttex. Todtenbleich, aber mit feſter Stimme ſpra<h ſie, als ſie endlih Klarheit ihres Willens errungen : „Es iſt zu ſpät. Mag Dich Haß oder Reue leiten, mag Dich Täuſchung blenden oder niht, i< weiſe die Verſuchung zurü>, und wenn ih frevle, fo komme der Fluh über den, der Alles verſchuldet hat. F< will nichts hören, nichts glauben — mein Kind iſt todt, mein Sohn ruht in dex Gruft zu Heileborg, Friede ſeiner Aſche !“
„Nux noch ein einziges Wort vexrſtattet,“ flehte Edda, „Man hat ihn in Lübe> verhaftet. Jh ſchwöre es Euch hei Allem, was mir heilig, daß er nach keiner Krone trachtet, daß er nur einmal in Cuer Auge bli>en will, und findet er dort niht den Gruß Eures Herzens, [o wird er Euch nie wieder nahen. Sorgt wenigſtens, daß man ihn aus der Haft entlafſe, belaſtet Euer Gewiſſen nicht mit dem Zweifel, daß Jhr die Hilfe Jemand verz ſagt, der Eures Blutes —*
„Ah,“ unterbrach die Königin die Bittende, und es flammie aus ihren Augen, „ih errathe — Du liebſt! Du bitteſt für Deinen Geliebten um Gnade bei mir, die Du ſchnöde betrogen, nachdem es Dir mißlungen, mix ein Märchen aufzubinden.“
Edda, welche vor der Königin auf den Knieen gelegen, ſprang auf, wie von einer Natter geſtochen. Sie hatte ſich gedemüthigt im Gefühl ihrer Schuld, aber dieſer Arg=wohn empörte ihren Stolz, jagte ihr das Blut durch die Adern und ließ wieder jenes Gefühl des Haſſes in ihr aufflammen, das ihr die Königin ehedem eingeflößt hatte.