Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Aus dem Vorworte zur erſten Auflage.

Ünſer reiches Schrifttum beſißt viele tierkundlihe Werke von anerkannter Trefflichkeit, aber wenige, in denen die Lebenskunde der Tiere ausführlich behandelt iſt. Man begnügt“ ſich, zumal in den oberen Klaſſen, mit einer möglichſt ſorgfältigen Beſchreibung des äußeren und inneren Tierleibes, ja, man gibt ſih zuweilen den Anſchein, als halte man es für unvereinbar mit der Wiſſenſchaftlichkeit, dem Leben und Treiben der Tiere mehr Zeit und Raum zu gönnen als erforderlih, um zu beweiſen, daß der in Nede ſtehende Gegenſtand ein lebendiges, d. h. nicht bloß ein fühlendes und bewegungsfähiges, ſondern auch ein handelndes und wirkendes Weſen iſt.

Die Urſachen dieſes ebenſo ungerechtfertigten wie einſeitigen Verfahrens ſind unſchwer zu erkennen. Unſere Meiſter der Tierkunde zieren die Hochſchulen oder wirken an den öffentlihen Sammlungen. Hier haben ſie eine fürdie Zergliederungs- und Syſteinkunde verlo>tende Menge von Stoff zur Verfügung, und wenn ſie dieſen Stoff wirklih bewältigen wollen, bleibt ihnen zur Beobachtung des Lebens der Tiere keine Zeit — ganz abgeſehen davon, daß zu folher Beobachtung ein Jäger- und Wanderleben eine der erſten Bedingungen iſt.

Mir danken gedachten Forſchern überaus wichtige Aufſchlüſſe über den äußeren und inneren Bau des Tierleibes und hierdur< Erklärung gewiſſer Lebensäußerungen; wir ſehen in ihnen immer die das Ganze überbli>enden und ordnenden Meiſter der Wiſſenſchaft und ſind geneigt, die jagenden und ſammelnden Reiſenden jenen gegenüber als Gehilfen und Handlanger zu betrahten, obgleih wir uns niht verhehlen können, daß nur ſie es ſind, welche uns mit dem ganzen Tiere bekannt machen. Denn erſt das lebende Tier iſt ein „Fühlendes und bewegungsfähiges“/ Weſen: das tote, ausgeſtopſte, in Weingeiſt aufbewahrte iſt und bleibt immer nur ein Gegenſtand.

Die Reiſenden und die unſere Fluren jagend durchſtreifenden Forſcher alſo ſind es, von denen wir Schilderungen des Tierlebens fordern müſſen und fordern dürfen. Fhnen iſt die Aufgabe geworden, vor allem das lebende Tier ins Auge zu faſſen; für die wiſſenſchaftlihe Behandlung des toten Tieres finden ſih andere Kräfte: denn auh für das erſprießlihe Gedeihen der Tierkunde iſ Teilung der Arbeit unerläßlihe Bedingung.

Solche Anſichten haben mich beſtimmt, das vorliegende Buh zu ſchreiben. Durch Lehre und Vorbild meines unvergeßlichen Vaters bin ih von Jugend auf zur eigenen Beobachtung der Tiere veranlaßt worden und habe hierzu ſpäter, während eines langjährigen Wanderlebens im Norden und Süden ſowie in meinem ſpäteren Wirkungskreiſe, manche Gelegenheit gefunden, die vielen anderen verſchloſſen blieb. Deſſenungeachtet hielt ih meine Beobachtungen allein zu einer Veröffentlihung nicht für wichtig genug und glaubte deshalb, ſie mit den Erfahrunaen anderer verſchmelzen zu müſſen. Hierdur< mußte die Arbeit das Gepräge