Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Löwe: Schwanken äußerer Merkmale, Ausrottung. Verdrängung. 447

fahlgelbe und ſilberiggraue Behaarung des wilden Löwen iſt ſehr kurz und anliegend, während die der gefangen gehaltenen viel länger und gewöhnlih auch von rötlicherer Färbung iſt. Jh könnte das Fell eines Menagerie-Löwen aus denen von hundert wilden herausfinden.“ Dieſe nur für den ſüdafrikaniſchen Löwen geltenden Urteile eines Fägers und Beobachters wie Selous ſind gewiß beahtenswert. Für unſeren Zwe> darf die vielfah beregte Frage über die Hauptformen der Löwen als bedeutungslos erſcheinen, da ſie ſi in ihrer Lebensweiſe alle im weſentlichen gleih ſind.

Die Zeiten, in denen man 600 Löwen zum Kampfe in der Arena zuſammenbringen konnte, liegen um Jahrtauſende hinter uns. Seitdem hat ſih der König der Tiere vor dem Herrn der Erde ſtetig mehr und mehr zurückgezogen. Herodot erzählt uns, daß bei einem Heerzuge des Xerxes in Makedonien Löwen des Nachts über die das Gepä> tragenden Kamele herfielen, zu allgemeiner Verwunderung der Krieger, da man in dieſer Gegend niemals vorher die ſtolzen Raubtiere geſpürt hatte; Ariſtoteles gibt die Flüſſe Neſſus und Achelous als die Grenze des Löwengebietes in Europa an und fagt ausdrüdlih, daß es in Europa nirgends weiter als hier (in Griechenland) Löwen gäbe, Wann dieſe in unſerem Erdteile ausgerottet wurden, läßt ſi< niht feſtſtellen; ſiherlih aber iſt mehr als ein Fahrtauſend ſeitdem vergangen. Daß der Löwe vormals in Syrien und Paläſtina lebte, wiſſen wir dur die Bibel; über die Zeit der Ausrottung in dem Heiligen Lande aber haben wir keine Kunde. Jedenfalls hat es eine Zeit gegeben, während welcher der Löwe vom Kap der Guten Hoffnung dur ganz Afrika und dur< Südaſien bis nah JFndien ununterbrochen verbreitet war.

Wie hier oder dort ergeht es dem gefährlichen Feinde der Herden allerorten: der Menſch tritt überall nah beſten Kräften gegen ihn in die Schranken und wird ihn ebenſo ſtetig wie bisher zurü>drängen und endlih vernihten. Der Berberlöwe lebte früher im ganzen nordöſtlihen Afrika und war in Ägypten niht viel weniger häufig als in Tunis oder in Fes und Marokto; die Zunahme der Bevölkerung und Bildung aber verdrängte ihn mehr und mehr, ſo daß er jeßt ſhon im unteren Nilthale und faſt am ganzen ſüdlichen Geſtade des Mittelmeeres niht mehr getroffen wird. Aber noh heutigestags iſt er in Algerien und Marokko keine Seltenheit und in Tunis und der Daſe Feſſan wenigſtens noch eine ſtändige Erſcheinung. Namentlich in Algerien hat er ſtark abgenommen: die häufigen Kriege der Franzoſen mit den Arabern haben ihn verdrängt und die franzöſiſchen Löwenjäger, zumal Jules Gérard, ſeine Reihen ſehr gelichtet. Für den Senegallöwen liegen die Verhältniſſe günſtiger: der meiſt mit der Lanze, ſeltener mit dem Giftpfeile und nur ausnahmsweiſe mit dem Feuergewehre bewaffnete Eingeborene Mittelafrikas vermag ſeinem {hlimmſten Steuererheber wenig Abbruch zu thun. Und doh drängt auch der dunkelfarbige Menſch den Löwen mehr und mehr zurü>. Noch vor 50 Fahren vernahmen Hemprich und Ehrenberg das Löwengebrüll in den Waldungen Südnubiens, unweit der Ortſchaft Handak: heutzutage gibt es dort keine Löwen mehr. Jn den unteren Nilländern ſind ſie ſhon vor Jahrhunderten gänzlih aus8gerottet worden; in den Steppen Takas, Sennars und Kordofans werden ſie von Jahr zu Fahr ſeltener. Dasſelbe gilt für die Weſt- und Oſtküſte wie für den Süden des Erdteiles, insbeſondere überall da, wo ſih der Europäer anſiedelt. Dem Feuergewehre des leßteren gegenüber vermag auch dieſes Naubtier nicht ſtandzuhalten. Demungeachtet beherbergen die weiten Steppenländer Afrikas no< Löwen in ungezählter Menge und werden ſie behalten, ſolange neben den zahmen noch die wilden Herden, neben Hunderttauſenden von Rindern no< Millionen von Antilopen jene weiten Gebiete dur<hſtreifen. Doch iſt wohl anzunehmen, daß unter dem Einfluß der ſih ändernden Verhältniſſe auh der Charakter, das Weſen des Löwen ſi<h mannigfaltig verändert, namentlih wo die Beſiedelung fortſchreitet und er nahdrü>licher verfolgt wird. Auf dieſe Umſtände ſind wohl hauptſächli< die manhmal re<t abweihenden Angaben über ſein Verhalten zurückzuführen.