Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

448 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Kaßen.

Der Löwe lebt einzeln, und nur während der Brunſtzeit hält er ſich zu ſeinem Weihhen. Außer der Paarzeit bewohnt jeder Löwe in Nordafrika ſein eigenes Gebiet, ohne jedo< der Nahrung wegen mit anderen ſeiner Art in Streit zu geraten. Jn Südafrika kommt es häufig vor, daß ſi zu größeren Fagdzügen mehrere Löwen vereinigen. Nach Livingſtone ſhweifen Trupps von 6—8 Stücken gemeinſchaftlih jagend umher. Unter außergewöhnlihen Umſtänden geſellen ſih noch zahlreichere Trupps. „Wenn die tro>ene Fahreszeit vorſchreitet“, ſchreibt mir Eduard Mohr, „alſo in den Monaten Mai bis September / verlaſſen zahlloſe Antilopen- und Quaggaherden die tro>enen Einöden der Kalahariſteppe oder die Hochebenen des Transvaal und ſuchen jene weiten Grasebenen auf, wel<he um Lucia-Bai ſich ausbreiten, unterwegs oder hier zu unſhäßbaren Scharen anwachſend (1870). Solchen Wildherden folgt der Löwe mitunter in förmlichen Rudeln.“ Er muß es ja auh; denn wovon ſoll er ſih nähren, wenn das Wild aus den Gebieten zeitweilig fortwandert? Wir brauchen uns deswegen aber niht vorzuſtellen, daß die Raubtiere ſtets in eng gedrängter Menge einherziehen. Selous, deſſen Berichte der neueſten Zeit entſtammen, ſagt ebenfalls: „„Îm ZJnneren Südafrikas trifft man 4 und 5 Löwen, welche zuſammenhalten, häufiger als einzelne; Trupps von 10 und 12 ſind niht außergewöhnli<h. Ein Trupp von 12 würde wahrſcheinlih beſtehen aus 2 alten männlichen, 3—4 alten weiblihen und einem halben Dubßend faſt ausgewa<hſenen jungen Löwen.“

Der Löwe bewohnt niht ausgedehnte Urwälder, ſondern liebt die offene Landſchaft: Grasbeſtände mit eingeſtreuten Hagen und Buſchwäldchen, kümmerliche Strauchſteppen und wüſtenartige Gegenden, mögen ſie bergig oder eben ſein. An irgend einem geſhüßten Orte, im Sudan gern in den Gebüſchen, im Süden Afrikas mit Vorliebe in den breiten Güxteln hochſtengeliger Schilfgräſer, welche die Betten der zeitweilig fließenden Ströme begrenzen, in Ermangelung deren in Di>ungen von Dornbüſchen, wählt ex ſich eine flahe Vertiefung zu ſeinem Lager und ruht hier einen oder mehrere Tage lang, je nahdem die Gegend arm oder rei, unruhig oder ruhig iſt. Auf der Wanderung bleibt er liegen, wo ihn bei ſeinen Streifzügen der Morgen überraſcht. °

Im ganzen ähneln ſeine Gewohnheiten denen anderer Katen; doch weicht ex in vielen Stücken niht unweſentli<h von denſelben ab. Er iſt träger als alle übrigen Mitglieder ſeiner Familie und liebt größere Streifzüge durchaus nicht, ſondern ſucht es ſich ſo bequem zu machen als irgend mögli<h. Nah Selous’ Erfahrungen zieht der ſüdafrikaniſche Löwe es vor, ſih an Wild zu ſättigen, das der Jäger erlegt hat, ſtatt es ſelbſt zu töten. So folgt er z. B. im Oſtſudan regelmäßig den Nomaden, ſie mögen ſi< wenden, wohin ſie wollen. Er zieht mit ihnen in die Steppe hinaus und kehrt mit ihnen na<h dem Walde zurü>; er betrachtet ſie als ſeine ſteuerpflihtigen Unterthanen und erhebt von ihnen in der That die drü>endſten aller Abgaben. Er führt eine nächtliche Lebensweiſe. Bei Tage begegnet man ihm ſelten, im Walde kaum zufällig, ſondern erſt dann, wenn man ihn ordnungsmäßig aufſu<ht und dur< Hunde von ſeinem Lager auftreiben läßt. Wie mich meine leßte Reiſe nach Abeſſinien belehrte, kommt es doch vor, daß man ihn auch bei Tage im Dickichte umherſchleichen oder ruhig und ſtill auf einem erhabenen Punkte ſigen ſieht, von wo aus er vielleicht das Treiben der Tiere ſeines Jagdgebietes überſehen will. Man hat dieſes Umſchauhalten, welches ſhon von Levaillant beobachtet und von ſpäteren Reiſenden wiederholt berichtet wurde, für unwahr gehalten; allein au<h wir haben uns davon überzeugt, und von den Panthern iſt es ebenfalls bekannt.

In die Nähe der Dörfer kommt er niht vor dex dritten Nachtſtunde. „Dreimal“, ſo ſagen die Araber, zeigt er dur<h Brüllen ſeinen Aufbru<h an und warnt hierdur<h alle Tiere, ihm aus dem Wege zu gehen.“ Dieſe gute Meinung ruht leider auf <wachen Füßen; denn ebenſo oſt, als i< das Brüllen des Löwen vernahm, habe i< in Erfahrung gebracht,