Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Karakal: Verbreitung. Unbändigkeit Abrichtung. Polarluc<s. 517

„Der künig der Tartaren ſol heimiſhe Löuwparden vnd Lüchß haben, welche er zu dem gejegt braucht“, bemerkt der alte Gesner, wohl Marco Polos Angaben wiedergebend. Noch heute wird der Karakal in Jndien, wo er für unſchwer zähmbar gilt, abgerichtet, um allerlei Wild zu fangen: kleine Hirſche und Antilopen, Füchſe, Haſen, Pfauen, Kraniche und kleineres Geflügel. Manche indiſche Fürſten haben Karakals in ziemlicher Anzahl zu Jagdzwe>en gehalten, da ſie in vielfacher Hinſicht brauchbarer als Gepards ſein ſollen. Ein in etlichen Gebieten Fndiens beliebtes Vergnügen iſt es, nah Blyth, Karakals in Wettbewerb treten zu laſſen, wieviel Vögel ſie in kürzeſter Zeit töten können. Sie werden auf einen am Boden ſißenden Taubenſhwarm losgelaſſen und wiſſen ſo geſchi>t anzukommen, daß die gewandteſten von ihnen oft bis ein Dußend Tauben niederſchlagen, bevor die Überfallenen davonfliegen können. Der die meiſten erbeutet, iſt Sieger, und ſein Herr hat die Wette gewonnen.

Am Vorgebirge der Guten Hoffnung hielt man noch im vorigen Fahrhundert das Fell des Karakals in hohem Werte, weil inan ihm Heilkräfte gegen Gliederſhmerzen und Fußgicht zuſchrieb. Solche Felle wurden au<h na< Europa verhandelt und hier ebenfalls gut bezahlt. Gegenwärtig iſt dieſer Gegenſtand faſt gänzlih von unſerem Markte verſhwunden.

„Jn einigen Teilen der Staaten Maine und Neubraunſchweig“, jo erzählt Audubon, „gibt es Landſtre>en, welche früher mit großen Bäumen beſtanden waren, teilweiſe aber dur Feuer verheert wurden und einen überaus traurigen Anbli> gewähren. Soweit das Auge reicht, trifft es nah jeder Richtung hin auf hohe, geſhwärzte, aufrecht ſtehende Stämme, von denen nur einzelne noch einen oder mehrere ihrer di>en Äſte in die Luft ſtre>en, während die größere Maſſe des Gezweiges, halb verbrannt und verkohlt, halb verfault und vermodert, den Boden de>t. Zwiſchen dieſen Überbleibſeln vergangener Tage iſt eine neue Pflanzenwelt aufgeſchoſſen; die Natur hat wieder begonnen, das Vernichtete zu erſeßen und auf Stre>en hin bereits ein dihtes Unterholz gebildet. Der Mann, welcher ſolchen Wald betritt, muß ſeinen Weg ſih mühſam bahnen, bald über Stämme klettern, bald unter ihnen wegtriehen oder auf einem der gefallenen dahingehen, um allen den verſchiedenen Hinderniſſen auszuweichhen, welche ſi finden. Jn ſol<hen Wäldern geſchieht es, daß der Jäger, deſſen Aufmerkſamkeit bisher höchſtens dur< Wildhühner und andere Vögel beanſprucht wurde, langſam und unhörbar ein großes Säugetier ſih bewegen ſieht, welches beſtrebt iſt, vor dem unwillkommenen Störenfriede ſih zu verbergen. Der Kundige erkennt in thm den Luchs, welcher liſtig genug iſt, vor ſeinem gefährlichſten Feinde ſo raſh wie möglih ſich zurüdtzuziehen. Ebenſo oft mag es vorkommen, daß dasſelbe Tier, auf einem ſtarken Zweige gelagert und von dihtem Laube verhüllt, den Jäger an ſich vorbeigehen läßt, ohne ſich zu regen oder überhaupt ein Zeichen von ſeinem Vorhandenſein zu geben. Auge und Dhr ſcharf auf den Feind gerihtet, nimmt es jede Bewegung desſelben wahr, prüft und beurteilt jede ſeiner Handlungen, und auh nicht das leiſeſte Zu>ken verrät die geſpannte Auſmerkſamfeit des liſtigen Geſchöpfes.“

Die Art der Gattung, welche der maleriſche Schriftſteller mit vorſtehenden Worten uns vorſtellt, iſt der Polarluchs oder Piſhu (Lynx borealis, Felis borealis, PF. und Lynx canadensÌis), eines der wihtigeren Pelztiere Amerikas, unter den dortigen Luchſen der größte. Ein vollkommen ausgewahſenes Männchen erreicht eine Geſamtlänge von 1,15 m, wovon etwa 13 em auf den Schwanz gerehnet werden müſſen, bei einer Schulterhöhe von etwa 55 cm, ſteht alſo unſerem Luchſe etwas nah. Der Pelz iſt länger und dicker als bei dem europäiſchen Verwandten, der Bart wie der Ohrpinſel mehr entwid>elt, das einzelne Haar weih und an der Spibe anders gefärbt als am Grunde. Ein bräunliches Silbergrau iſt die vorherrſchende Färbung, die Fle>enzei<hnung macht ſih auf dein Nücken faſt gar nicht,