Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Polarluhs: Weſen. Verwertung. Luchs. 519

Gegenden bilden ſeine Wohngebiete. Jm allgemeinen ſtimmt ſeine Lebensweiſe mit der unſeres Luhſes überein; wenigſtens vermag ih niht, aus den mix bekannten Beſchreibungen der amerikaniſhen Forſcher etwas herauszufinden, was dem widerſprechen ſollte. Nach der Schilderung von Richardſon iſt der Piſhu erbärmlih feig und wagt ſih nicht einmal an größere Säugetiere, ſondern jagt bloß auf Haſen und kleine Nagetiere oder kleine Vögel. Vor dem Menſchen und den Hunden flieht er ſtets; wird er geſtellt, ſo ſträubt er im Angriffe, wie alle Kaßen, ſein Haar, droht und faucht, läßt ſih aber doch leicht beſiegen, ſogar mit einem Stoke erſhlagen. Wegen dieſer Ungefährlichkeit und Häufigkeit wird er ſehr lebhaft gejagt. Audubon, welcher das Tier ausführlicher beſchreibt, hält Richardſons Angaben teilweiſe für irrtümlih. Er ſchildert auh dieſen Luchs als ein ſtarkes, wehrhaftes Tier, welches ſi ſeiner Haut zu wehren weiß. Ein gefangener, welchen ih pflegte, beſtätigt ſeine Anſicht; mit ihm war durchaus nicht zu ſcherzen. Ungeachtet aller Bemühungen von meiner Seite, hat er nie ſi entſchließen können, ein freundſchaftlihes Verhältnis mit mix einzugehen. Er war ernſt-ruhig, aber unfreundlich, faſt mürriſch; jede ſeiner Bewegungen war kräftig, jedoh leiht und gewandt. Bei Tage lag er ſtundenlang regungslos auſ ſeinem Baumaſte, nahts wanderte er gemahſam im Käfig auf und nieder. Niemals ſah man ihn ohne Not umherſpringen, wie die meiſten übrigen Kaßen dies thun; er war träger als ſeine ſämtlihen Verwandten.

Der Polarluchs iſt neben dem ebenfalls in Amerika heimiſchen Rotlu<hs (Lynx rufus) die nüßlihſte Wildkaße, weil ſein Fell vielfahe Verwendung findet. Schon in den vierziger Jahren kamen, nah Lomer, beſonders infolge der von der Hudſonbaigeſellſchaft erhöhten Fangvergütung, alljährlih 30—46,000 Felle nah Europa. Da ſeit einigen Jahren Luchspelze von der Mode bevorzugt werden, auh neue Jagdgründe erſchloſſen wurden, iſt die Einfuhr auf 86,904 Stück (1888) geſtiegen. Der Preis eines guten Felles, in den ſechziger Jahren 12—16 Mark, verdoppelte ſih bis 1885, ſtieg 1886 auf 25—40 Mark und beträgt jeßt (1889) 80—38 Mark. Das Wildbret wird in Amerika gegeſſen; doh meint Audubon, daß ihm ein kräftiges Stü>k Büffellende unter allen Umſtänden lieber wäre als Luchsfleiſh, es möge zubereitet ſein, wie es wolle.

Unter den beiden übrigen zu beſprehenden Mitgliedern der Gattung, welche ſih wie der Polarluchs durc ſtarken Bart und kurzen, ſtummelhaften Shwanz auszeihnen, ſteht der Luchs oder Tierwolf (Lynx vulgaris, L. borealis, cervarius, lupulinus, Felis Iynx und lupulina) an Schönheit, Stärke und Kraft obenan. Erſt durh das Muſeum von Chriſtiania bin ih über die Größe belehrt worden, welche ein Luchs wirklich erreichen kann; denn in unſeren deutſhen Sammlungen findet man gewöhnlih nur mittelgroße Tiere. Ein vollkommen ausgewacſener Luchs iſt mindeſtens ebenſo ſtark, nur etwas kürzer und hochbeiniger, wie die Leoparden, welche wir in unſeren Tierſchaubuden zu ſehen bekommen. Die Länge ſeines Leibes beträgt reihlih 1 m und kann wohl auh bis zu 1,3 m ſteigen, der Schwanz iſt 15—20 em lang, die Höhe am Widerriſte beträgt bis 75 cm. An Gewicht kann der Luchskater bis 30, ja, wie man mir in Norwegen ſagte, ſogar bis 45 kg erreichen. Das Tier hat einen außerordentlih kräftigen, gedrungenen Leibesbau, ſtämmige Glieder und mächtige, an die des Tigers oder Leoparden erinnernde Pranken, verrät daher auf den erſten Bli> ſeine große Kraft und Stärke. Die Ohren ſind ziemlich lang und zugeſpißt und enden in einen pinſelfórmigen Büſchel von 4 cm langen, ſhwarzen, dichtgeſtellten und auf: gerichteten Haaren. Auf der di>en Oberlippe ſtehen mehrere Reihen ſteifer und langer Schnurren. Ein dichter, weicher Pelz umhüllt den Leib und verlängert ſih im Geſichte zu einem Barte, welcher zweiſpißzig zu beiden Seiten herabhängt und im Vereine mit den Dhrbüſcheln dem Luchsgeſichte ein ganz ſeltſames Gepräge gibt. Die Färbung des Pelzes iſt