Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Fiſchotter: Verbreitung. Lieblingspläße. Bewegung. 671

Unſer Fiſchotter bewohnt ganz Europa und außerdem den größten Teil von Nordund Mittelaſien, ſein Vexrbreitungsgebiet nah Oſten hin bis zur Mündung des Amur, nah Südoſten hin mindeſtens bis in die nordweſtlichen Teile des Himalaja ausdehnend. Blanford iſt ſogar im Zweifel, ob zu ſeinem Wohngebiete nicht auh Jndien überhaupt zu rehnen ſei, da eine der dort vorkommenden Arten (Lutra nair, indica) im allgemeinen zwar von etwas geringerer Größe als unſer Tier iſt, aber niht Merkmale aufweiſt, die beſtändig genug wären, um beim Vergleichen vieler Stü>e eine Trennung gerechtfertigt erſcheinen zu laſſen. Jn den Polaxrländern ſcheint unſer Fiſchotter nicht weit nah Norden vorzudringen, obwohl er einzeln no< in Lappland lebt; in Sibirien geht er nur bis gegen den Polarkreis hinauf. Jn Judien, China und Fapan wird er dur< nahe verwandte Arten vertreten, in Afrika und Amerika durch ſolche, welche man beſonderen Untergattungen zugezählt hat. Fn Mittel und Südeuropa hauſt er in jedem nahrungverſprehenden Gewäſſer, auch in Flüſſen und Bächen der bewohnteſten Teile ſtark bevölkerter Staaten, in Mittelaſien fehlt er an geeigneten Orten ebenſowenig. Der erwähnte indiſche Otter geht, laut Blanford, ſogar in das Bra>- und Seewaſſer, lebt in Flußmündungen, die unter Der Herrſhaft der Gezeiten ſtehen, in Priehlen, und beſucht gelegentlich das Meer.

Der Fiſchotter liebt vox allem Flüſſe, deren Ufer auf große Stre>en hin mik Wald bede>t ſind. Hier wohnt er in unterirdiſhen Gängen, welche ganz nah ſeinem Geſhma>ke und im Einklange mit ſeinen Sitten angelegt werden. Die Mündung befindet ſich ſtets unter der Oberfläche des Waſſers, gewöhnlich in einer Tiefe von !/2 m. Von hier aus ſteigt ein etwa 2 m langer Gang ſchief nah aufwärts und führt zu dem geräumigen Keſſel, welher regelmäßig mit Gras ausgepolſtert und ſtets tro>en gehalten wird. Ein zweiter {maler Gang läuft vom Keſſel aus nach der Oberfläche des Ufers und vermittelt den Luftwechſel. Gewöhnlich benugt der Fiſchotter die vom Waſſer ausgeſhwemmten Löcher und Höhlungen im Ufer, welche er einfah dur Wühlen und Zerbeißen der Wurzeln verlängert und erweitert; in ſeltenen Fällen bezieht er auc verlaſſene Fuhs- oder Dachsbaue, wenn ſolche niht weit vom Waſſer liegen. Unter allen Umſtänden beſißt er mehrere Wohnungen, es ſei denn, daß ein Gewäſſer außerordentlich reih an Fiſchen iſt, er alſo niht genötigt wird, größere Streiſereien auszuführen. Bei hohem Waſſer, welches ſeinen Bau überſhwenmt, flüchtet er ſi auf naheſtehende Bäume oder in hohle Stämme und verbringt hier die Zeit der Ruhe und Erholung nach ſeinen Jagdzügen im Waſſer.

So viel Ärger ein Fiſchotter ſeiner großen Schädlichkeit wegen Beſißern von Fiſchereien und leidenſchaftlihen Anglern verurſacht, ſo anziehend wird er für den Forſcher. Sein Leben iſt ſo eigentümlicher Art, daß es eine eigene Beobachtung verlangt und deshalb jeden an der ſ<hädlihen Wirkſamkeit des Tieres unbeteiligten Naturfreund feſſeln muß. An dem Fiſchotter iſt alles merkwürdig, ſein Leben und Treiben im Waſſer, ſeine Bewegungen, ſein Nahrungserwerb und ſeine geiſtigen Fähigkeiten. Er gehört unbedingt zu den anziehendſten Tieren unſeres Erdteiles. Daß er ein etes Waſſertier iſt, ſieht man bald, auh wenn man ihn auf dem Lande beobachtet. Sein Gang iſt der kurzen Beine wegen ſ<langenartig kriechend, aber feineswegs langſam. Auf Shnee oder Eis rutſcht er oft ziemlich weit dahin, wobei ihm das glatte Fell gut zu ſtatten kommt und ſelbſt der kräftige Shwanz zuweilen Hilfe gewähren muß. Dabei wird der breite Kopf geſenkt getragen, der Rü>ken nur wenig gekrümmt, und ſo gleitet und huſcht er in wirklih ſonderbarer Weiſe ſeines Weges fort. Doch darf man nicht glauben, daß er ungeſchi>t wäre; denn die Geſchmeidigkeit ſeines Leibes zeigt ſih au< auf dem Lande. Er kann den Körper mit unglaublicher Leichtigkeit drehen und wenden, wie er will, und iſt im ſtande, ohne Beſchwerde ſih aufzurihten, minutenlang in dieſer Stellung zu verweilen und, ohne aus dem Gleichgewichte zu kommen, ſih vor- und rücwärts zu wenden, zu drehen oder auf: und niederzubeugen. Nur im höchſten Notfalle