Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Seeotter: Verbreitung. Stellers Schilderung. 683

„Fm Leben iſt der Seeotter ein ebenſo ſ{hönes und angenehmes wie in ſeinem Weſen luſtiges und ſpaßhaftes, dabei ſehr ſ<meichelndes und verliebtes Tier. Wenn man ihn laufen ſieht, übertrifft der Glanz ſeiner Haare den ſhwärzeſten Samt. Am liebſten liegen ſie familienweiſe: das Männchen mit ſeinem Weibchen, den halberwahſenen Jungen oder Koſchlois und den ganz kleinen Säuglingen, Medwedkis. Das Männchen liebkoſt das Weibchen mit Streicheln, wozu es ſih der vorderen Taten wie der Hände bedient, und legt ſich auch . öfters darauf, und dieſes ſtößt das Männchen ſcherzweiſe und gleihſam aus verſtellter Sprödigkeit von ſich und kurzweilt mit den Jungen wie die zärtlihſte Mutter. Die Liebe der Eltern gegen ihre Jungen iſt ſo groß, daß ſie ſich der augenſcheinlihſten Todesgefahr für ſie unterwerfen und, wenn ſie ihnen genommen werden, faſt wie ein kleines Kind laut zu weinen beginnen. Auch grämen ſie ſi dergeſtalt, daß ſie, wie wir aus ziemlich ſicheren Beiſpielen ſahen, in 10—14 Tagen wie ein Gerippe vertro>nen, krank und <hwa<h werden, auch vom Lande niht weihen wollen. Man ſieht ſie das ganze Jahr mit Fungen. Sie werfen bloß eins und zwar auf dem Lande. Es wird ſehend und mit allen Zähnen geboren. Die Weibchen tragen das Junge im Maule, im Meere aber, auf dem Rü>en liegend, zwiſchen den Vorderfüßen, wie eine Mutter ihr Kind in den Armen hält. Sie ſpielen auh mit ihm wie eine liebreiche Mutter, werfen es in die Höhe und fangen es wie einen Ball, ſtoßen es ins Waſſer, damit es ſhwimmen lerne, und nehmen es, wenn es müde geworden, wieder zu ſih und küſſen es wie ein Menſch. Wie auch die Jäger ihr zu Waſſer oder zu Lande zuſetzen, ſo wird doh das im Maule getragene Junge nicht, außer in der lezten Not oder im Tode, losgelaſſen, und deshalb kommen gar viele um. Jc habe den Weibchen abſichtlih die Fungen genommen, um zu ſehen, was ſie thäten. Sie jammerten wie ein betrübter Menſh und folgten mir von ferne wie ein Hund, als ich ſie forttrug. Dabei riefen ſie ihre Jungen mit jenem Gewimmer, welches ih oben beſchrieb. Als die Jungen in ähnlicher Weiſe antworteten, ſebßte ih ſie an den Boden; da kamen gleich die Mütter herbei und ſtellten ſich bereit, ſie fortzutragen. Auf der Flucht nehmen ſie ihre Säuglinge in den Mund, die erwachſenen aber treiben ſie vor ſih her. Einmal ſah ih eine Mutter mit ihrem Fungen ſ{<lafen. Als ih mi< näherte, ſuchte ſie dieſes zu erweten; da es aber nit fliehen, ſondern ſ{<lafen wollte, faßte ſie es mit den Vorderfüßen und wälzte es wie einen Stein ins Meer. Haben ſie das Glück, zu entgehen, ſo fangen ſie an, ſobald ſie nur das Meer erreicht haben, ihren Verfolger dergeſtalt auszuſpotten, daß man es niht ohne fonderliches Vergnügen ſehen kann. Bald ſtellen ſie ſi<h wie ein Menſch fenkre<t in die See und hüpfen mit den Wellen, halten wohl auch eine Vordertatze -über die Augen, als ob ſie einen unter der Sonne ſcharf anſehen wollten. Bald werfen ſie ſih auf den Rü>en und ſchaben ſih mit den Vorderfüßen den Bauch und die Scham, wie wohl Affen thun. Dann werfen ſie ihre Kinder ins Waſſer und fangen ſie wieder 2c. Wird ein Seeotter eingeholt und ſieht er keine Ausfluht mehr, ſo bläſt und ziſcht er wie eine erbitterte Kate. Wenn ex einen Schlag bekommt, macht er ſih dergeſtalt zum Sterben fertig, daß er ſih auf die Seite legt, die Hinterfüße an ſi zieht und mit den Vordertaßen die Augen de>t. Tot liegt er wie ein Menſch ausgeſtre>t mit kreuzweiſe gelegten Vorderfüßen.

„Die Nahrung des Seeotters beſteht in Seekrebſen, Muſcheln, kleinen Fiſchen, weniger in Seekraut oder Fleiſch. Jh zweifle nicht, daß, wenn man die Koſten daran wenden wollte, die Tiere na<h Rußland überzubringen, ſte zahm gemacht werden könnten; ja ſie würden ſich vielleicht in einem Teiche oder Fluſſe vermehren. Denn aus dem Seewaſſer machen ſie ſich wenig, und ih habe geſehen, daß ſie ſich mehrere Tage in den Fnſeln und kleinen Flüſſen aufhalten. Übrigens verdient dieſes Tier die größte Hohachtung von uns allen, da es faſt 6 Monate allein zu unſerer Nahrung und den an der Zahnfäule leidenden Kranken zugleich zur Arznei gedient.