Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Reh: Gehörnbildung. Verbreitung. 495

gerihtete Spiße aufs neue und ſeßt eine Nebenſproſſe ab. Der Zehn-Ender iſt die höchſte regelmäßige Entwidelung des Rehgehörns, welche ih kenne. Er entſteht, wenn die beiden oberen Spißen des Sechs-Enders ſih gabelig zerteilen; das Gehörn beſteht dann aus einer vorderen Mittelſproſſe, einer oberen Endgabel und einex hinteren Nebengabel. Gehörne dieſer Form kenne ih nur aus Syrmien und Kroatien. Häufig zeigen die Rehgehörne eine Neigung, inwendig an der Hauptſtange, unterhalb der nach vorn gerichteten Mittelſproſſe und gleihmäßig an jeder Seite eine auffallend lange Perle zu entwi>eln. Dieſe Perle wird zuweilen bis 25 mm lang und kann dann jagdmäßig als Ende gezählt werden.“

Mißbildungen aller Art ſind bei dem Rehgehörne außerordentlih häufig. Jn Sammlungen ſieht man Stangen von der fonderbarſten Geſtaltung: manche mit einer ganzen Reihe von jagdgerehten Enden, andere ſchaufelartig verbreitert und mit Randſproſſen beſezt. Es commen Rehbö>e mit drei Stangen und drei Noſenſtö>ken oder ſolche mit einer einzigen Roſe und einem einfahen Sto>e, ferner ſogenannte Perüc>kengehörne vor 2c. Auch ſehr alte Rien erhalten bi8weilen einen furzen Stirnzapfen und ſeßen <hwache Gehörne auf. Radde erhielt im Sajan ein folches, welhes die Rike mitten auf der Stirn trug. Es zeigt vier längere, aus einem Grunde entſpringende Sproſſen, welche in abweichender Nichtung zueinander ausgewachſen ſind. Von einem anderen derartigen Gehörne teilt mir Blo > mit, daß es aus zwei, gegen 5 cm langen Stangen beſtand und ſelbſt einen alten Weidmann täuſchen konnte, welcher die Ride als Bo> anſprah und erlegte.

Die dichte Behaarung des Rehes ändert ſih je nah der Jahreszeit, indem, meiner Auffaſſung na, wie beim Hirſche, im Sommer nur das Grannenhaar, im Winter aus\<hließli<h das Wollhaar zur Entwickelung gelangt. Erſteres iſt kurz, ſtraff, hart und rund, letzteres lang, gewellt, weih und zerbre<li<, au< durchaus anders gefärbt als jenes. Ober- und Außenſeite des Körpers ſind im Sommer dunkel roſtrot, im Winter braungrau, Unterund Fnnenſeite der Gliedmaßen immer heller gefärbt. Auf der Stirn und dem Naſenrücken miſcht ſi< Schwarzbraun, an den Seiten des Kopfes und rü>wärts über den Augen Notgelb ein; Kinn, Unterkiefer und ein kleiner Fle>en jederſeits der Oberlippe ſind weiß; hinter der Mitte der Unterlippe tritt ein kleiner brauner Fle>en hervor. Das Gehör iſt auf der Außenſeite etwas dunkler als der übrige Leib, innen mit gelblihweißen Haaren beſet. Steiß und der Hinterteil der Keulen ſind ſcharf abgegrenzt, lichtfarbig, im Sommer gelbli, im Winter weiß. Bei den Kälbern treten auf der rötlihen Grundfarbe kleine, rundliche, weiße oder gelbliche Fle>en in Reihen hervor. Jn manchen Gegenden treten Abweichungen in der Färbung auf, die ſich dur< mehrere Geſchlechter vererben; es kommen ſchwarze weiße, gefle>te und ſilberfarbene Rehe vor.

n der Weidmannsſprache heißt das männliche Reh nach ſeiner Geburt Bo>kalb oder Kibbo>, nach zurügelegtem erſten Fahre Spießbo> oder Schmalrücken, nah vollendetem zweiten Fahre Gabelbo>, vom dritten Jahre ab endlih Bo, guter und braver Bo>; das weibliche Reh dagegen in denſelben Altersſtufen Neh- oder Kißkalb und Kißhen, ſodann Schmalreh, endlih Rite, Hille, Rehgeiß, Nehziege und zuleßt alte, beziehentlih gelte Nie. Der lange Haarbüſchel, welcher am vorderen Ende der Brunſftrute des Botes herabhängt, heißt Pinſel, der Haarbüſchel, welcher aus dem Feigenblatte der Nie hervortritt, Schürze oder Waſſerzeichen, die lichte Stelle am Steiße der Spiegel. Das Reh bildet einen Sprung oder ein Rudel, wenn es ſi gejellſchaftsweiſe vereinigt; es \{<re>t, \{<mält oder meldet ſich, wenn es ſeinen kurzen Schrei von ſih gibt, oder klagt, wenn es von Hunden oder Raubtieren ergriffen wird und laut aufſchreit. Fm übrigen gebrau<ht man von ihm dieſelben Ausdrü>e wie vom Hochwilde.

Das Reh verbreitet ſi< mit Ausnahme der nördlichſten Länder über ganz Europa und den größten Teil von Aſien. Es lebt no gegenwärtig in Deutſchland, Ftalien, Spanien,

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