Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

668 Vierzehnte Ordnung: Beuteltiere; zweite Familie: Kletterbeutler.

wenigſtens verſchläft er die größte Helle und Hiße des Tages tief verſte>t in den Kronen der Gummibäume, welche ſeinen bevorzugten Aufenthalt bilden. Gegen Abend beginnt er ſeine Mahlzeit. Ruhig und unbehelligt von den übrigen Geſchöpfen der Wildnis weidet er äußerſt gemächlih die jungen Blätter und Schößlinge der Äſte ab, indem er ſie mit den Vorderpfoten feſthält und mit ſeinen Schneidezähnen abbeißt. Jn der Dämmerung ſteigt er wohl au< zuweilen auf den Boden herab und wühlt hier nah Wurzeln. Jn ſeinem ganzen Weſen und Treiben offenbart er eine mehr als gewöhnliche Stumpfheit. Man nennt ihn ein überaus gutmütiges und friedliches Tier, welches nicht ſo leiht in Erregung zu bringen iſt und ſchweigſam ſeinen Geſchäften nachgeht. Höchſtens dann und wann läßt er ſeine Stimme vernehmen, ein dumpfes Gebell, welches bloß, wenn er ſehr hungrig iſt oder hartnädig gereizt wird, in ein gellendes, ſchrilles Geſchrei übergeht. Bei großem Zorne kann es wohl au< vorkommen, daß er eine wilddrohende Miene annimmt. Aber es iſt niht ſo {{<limm gemeint, denn ex denkt faum daran, zu beißen oder zu kragen.

Stumpfſinnig, wie ex iſt, läßt er ſi< ohne große Mühe fangen und fügt ſich gelaſſen in das Unvermeidliche, ſomit auch in die Gefangenſchaft. Hier wird er niht nur bald ſehr zahm, ſondern lernt auffallenderweiſe auh raſh ſeinen Pfleger kennen und gewinnt ſogar eine gewiſſe Anhänglichkeit an ihn. Man füttert ihn mit Blättern, Wurzeln u. dgl. Seine Speiſen führt er mit den Vorderpfoten zum Maule, wobei er ſih auf das Hinterteil ſeßt, während ex ſonſt die Stellung eines ſißenden Hundes annimmt.

Soviel man weiß, wirft das Weibchen bloß ein Junges. Es ſchleppt dieſes, nahdem es dem Beutel entwachſen, no< lange Zeit mit ſi< auf dem Rücken oder den Schultern herum und behandelt es mit großer Sorgfalt und Liebe. Das Junge klammert ſich feſt an den Hals der Mutter an und ſieht teilnahmslos in die Welt hinaus, wenn die Alte mit anexkennenswerter Vorſicht in den Kronen der Bäume umherklettert.

Die Europäer kennen den Koala erſt ſeit dem Fahre 1803; die Eingeborenen, welche ihn Goribun nennen, haben ihn von jeher als ein geſhäßtes Jagdtier betrachtet. Sie verfolgen ihn ſeines Fleiſches wegen mit großem Eifer, und zwar kletternd, wie ex, auf den Bäumen. Einen Koala jagend, laſſen ſie es ſih niht verdrießen, an den ſ<lanken, über 20 m hohen Stämmen emporzuklimmen. Sie treiben das Tier bis zu dem höchſten Aſte hinauf und wexfen es von dort aus ihren Gefährten herab oder ſ{hlagen es oben mit der Keule tot.

Die artenreichſte Unterfamilie der Kletterbeutler bilden die Kleinbeutler (Phalanugerinae), die hötſtens die Größe eines ſtarken Marders erreihen. Jhr Schwanz iſt gewöhnlih ein langer Greifſhwanz, die Schnauze kurz und breit. Der Magen iſt einfa und drüfenreih und der Blinddarm außerordentlih lang. Die Zähne ſind groß und gut entwi>elt.

Die 11 Gattungen und 80 Arten der Kteinbeutler bewohnen den Heimatskreis der Familie. Sie ſind ſämtlih Baumtiere und finden ſih deshalb nur in Wäldern; bloß ausnahmsweiſe ſteigen einige auf den Boden herab, die meiſten verbringen ihr ganzes Leben in den Kronen der Bäume. Faſt alle Arten verſchlafen den größten Teil des Tages oder erwachen, vom Hunger getrieben, höchſtens auf kurze Zeit. Beim Eintritte der Dunkelheit konnen ſie aus ihren Verſte>en hervor, um zu weiden; Früchte, Blätter und Knoſpen bilden ihre Hauptnahrung. Einzelne nehmen zwar auh Vögel, Eier und Kerbtiere zu ſich, andere dagegen freſſen bloß die jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeln ün Boden nach und ſollen ſih unterirdiſche Baue anlegen, in welchen ſie während der kalten Jahreszeit ſchlafen. Jn ihren Bewegungen unterſcheiden ſih die Kleinbeutler weſentli