Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

450 Erſte Ordnung: Baumvögel; ſiebzehnte Familie: Raben.

auf der Weſtſeite der Bäume die leßten Strahlen des wärmenden Geſtirnes auffangen. Nur ihre Fruchtbarkeit und der Überfluß an Nahrung befähigt ſie, ihre Stelle unter den Pampasvögeln zu behaupten; entgegengeſeßten Falls würde die Kälte, ihr einziger Feind, ſie ſicherlih ausrotten.

Mit Beginn des warmen Frühlingswetters zeigt ſich die Uracca ganz anders als früher. Sie wird lebendig, laut, heiter und luſtig. Ununterbrochen wandert der Schwarm von einem Plate zum anderen, ein Vogel einzeln und unſtet neben den Genoſſen herfliegend, jeder einzelne aber fortwährend in kläglicher Weiſe ſhreiend. Dann und wann läßt auh wohl einer ſeinen Geſang vernehmen: eine Reihe langgedehnter, pfeifender Töne, von denen die erſten kräftig und laut, die anderen matter und immer matter ausgeſtoßen werden, bis das Ganze plößlih in einem innerlihen, dem tiefen Atmen oder Schnarchen des Menſchen ähnelnden Gemurmel ſein Ende findet. Naht jemand dem Schwarme, ſo ſchreien die Vögel ſo unerträgli< laut, ſhrillend und anhaltend, daß der Eindringling, heiße er Menſch oder Tier, in der Regel froh iſt, der Nachbarſchaft der Schreihälſe wieder zu entrinnen. Gegen die Brutzeit hin vernimmt man übrigens, wahrſcheinli<h von den Männchen, auh ſanfte und zarte, plaudernde oder ſ<hwatende Laute. Nunmehx teilen ſih die Shwärme in Paare und zeigen ſi< mißtrauiſ<h in ihrem ganzen Auſtreten.

Jhr Neſt wird in der Regel auf hohen, dornigen Bäumen aus ſehr ſtarken Reiſern errichtet, meiſt aber nux loſe und ſo liederlih gebaut, daß die Eier dur<ſcheinen, zuweilen ſogar dur<fallen. Neſter von beſſerer Bauart, welche innen mit Federn, tro>enen oder grünen Blättern ausgefleidet ſind, werden ſhon ſeltener gefunden. Das Gelege enthält 6—T7, im Verhältnis zur Größe des Vogels umfangreiche Eier, man<hmal au< mehr: einmal fand Hudſon ſogar 14 in einem Neſte und konnte, da er die Vögel von Beginn des Baues an beobachtete, feſtſtellen, daß ſie von einem Paare herrührten. Fhre Grundfärbung iſt ein ſ{<önes Himmelblau; die Zeichnung beſteht aus einer diht aufgetragenen, weißen, zarten, talkartigen Maſſe, die anfänglih leiht abgewiſcht oder abgewaſchen werden kann. Die Häßlichkeit der jungen Blauraben iſt ſprihwörtlih und der Ausdru> „Blaurabenkind“ zur Bezeichnung eines Menſchen geworden, der aller Anmut entbehrt. Abgeſehen von ihrer Häßlichkeit, zeichnen ſich die Jungen au dur ihre Unſauberkeit aus, ſo daß ein mit 6 oder 8 von ihnen gefülltes Neſt ebenſowenig vor den Augen als vor der Naſe Gnade findet. Dagegen iſt der Eindru> des Geſchreies der Jungen ſtets ein erheiternder, weil ihre Stimmlaute an das ſchrillende Gelächter eines Weibes erinnern. Ein in unmittelbarer Nähe von Hudſons Hauſe errichtetes Neſt gab Gelegenheit, das Betragen der Alten zu beobachten. Bei Ankunft der futterbringenden Alten brachen die Jungen in ein ſo zügelloſes, wild tobendes Geſchrei aus, daß man ihnen ohne Lächeln kaum zuhören konnte.

Fung dem Neſte enthobene Blauraben werden bei einiger Pflege bald außerordentlich zahm und benehmen ſi in der Gefangenſchaft etwa nah Art unſerer Dohlen oder Elſtern, zeichnen ſih aber dadurh zu ihrem Vorteile aus, daß ſie mit ihresgleihen auch jet noh Frieden halten. Jm Freien verzehren ſie zwar vorzugsweiſe Kerbtiere, rauben aber doh auth allerlei kleine Säugetiere, Vögel und Kriechtiere; in Gefangenſchaft ernährt man ſie mit dem, was auf den Tiſh kommt. Dank ihrer Anſpruchs loſigkeit gelangen ſie jeßt recht oft in unſere Käfige.

Die Kittas oder Laubelſtern (Cissa) ſind zierlih gebaute Vögel mit lebhaft gefärbtem Kleide. Jhr Schnabel iſt faſt kopflang, di>, ſtark, von der Wurzel an gekrümmt, an der Spitze übergebogen, der Fuß lang und ſtark mit kräftigen, mittellangen, durch tüchtige Nägel bewehrten Zehen; in den runden Flügeln ſind die vierte und die fünfte Schwinge