Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Grauling. Alpenkrähe. 475

Jn der vierten Unterfamilie vereinigen wir die Felſenraben (Pyrrhocoracinae), geſtre>t gebaute, langflügelige und kurzſhwänzige Arten mit ſ{<hwächlihem, zugeſpißtem und etwas gebogenem, meiſt lebhaft gefärbtem Schnabel, zierlichen Füßen, verhältnismäßig langen Flügeln und ſchillerndem Gefieder.

Die Alpenkrähe, Steinkrähe, Krähendohle, Gebirgs- oder Feuerrabe, Eremit, Klausrabe oder Turmwiedehopf (Pyrrhocorax graculus und rupestris, Fregilus graculus, europaeus, erythropus und himalayanus, Corvus graculus, Gracula pyrrhocorax und eremita, Coracia gracula und erythrorhamphos), zeihnet fi dur langgeſtre>ten, dünnen und bogenförmigen Schnabel aus. Dieſer iſt, wie die mittelhohen, furzzehigen Füße, prächtig korallenrot gefärbt, das Auge dunkelbraun, das Gefieder gleihmäßig glänzend grün- oder blauſhwarz. Die Länge beträgt 40, die Breite 82, die Fittichlänge 27, die Shwanzlänge 15 cm. Das Weibchen iſt kaum kleiner, äußerlich überhaupt niht vom Männchen zu unterſcheiden. Die jungen Vögel laſſen ſi< an ihrem glanzloſen Gefieder erkennen; auch ſind bei ihnen Schnabel und Füße ſhwärzlih. Nach der erſten Mauſer, wenige Monate nah ihrem Ausfliegen, erhalten ſie das Kleid der Alten.

Unſere europäiſ<hen Alpen in ihrer ganzen Ausdehnung, die Karpathen, der Balkan, die Pyrenäen und faſt alle übrigen Gebirge Spaniens, auch einige Berge Englands und Schottlands und alle Gebirge vom Ural und Kaukaſus an bis zu den chineſiſchen Zügen und dem Himalaja bis nah Bhutan, ebenſo die Kanariſchen Jnſeln, der Atlas und die höchſten Berggipfel Abeſſiniens, beherbergen dieſen in jeder Hinſicht anziehenden und beachtenswerten Vogel. Fn den Schweizer Alpen iſt er ſelten, in Spanien aber, wenigſtens an vielen Orten, außerordentli<h zahlreih. Dort bewohnt er nur das eigentliche Hochgebirge, einen Gürtel hart unter der Schneegrenze, und verſteigt ſh häufig bis in die höchſten Alpenſpiten; in Spanien begegnet man ihm ſchon an Felſenwänden, die ſi< bis zu höchſtens 200 oder 300 m über das Meer erheben. Jm Himalaja belebt unſer Vogel, wie Blanford und Stoliczka feſtſtellten, einen Höhengürtel von 3000—5000 m. Fn den Rhätiſchen Gebirgen niſtete er no< vor 70 Fahren in den Glo>enſtühlen und Sparren faſt aller hochgelegenen Bergdörfer, während er gegenwärtig, meiſt infolge der Umgeſtaltung dieſer Türme, gezwungen in die Felſenwildniſſe zurückgekehrt iſt. Jm höchſten Gürtel des Gebirges überwintert er niht, wandert vielmehr im Oktober tiefer gelegenen Felswänden oder ſüdlicheren Gegenden zu. Bei dieſer Gelegenheit ſoll er in Scharen von 400—600 Stück an den Hoſpizen erſcheinen, bald aber wieder verſhwinden. Doch erhielt Stölker mitten im Winter eine in den höchſten Gebirgsthälern der Schweiz erlegte Alpenkrähe. Fn Spanien und wahrſcheinlih ebenſo in allen ſüdlicheren Gebirgsländern iſt dieſe Stand- oder höchſtens Strichvogel;, denn es mag wohl möglich ſein, daß ſie im Winter das Hochgebirge verläßt und in tiefere Thäler herabgeht, wie es Alfred Walter auh aus Tuxkmenien berichtet, wo ſie zeitweiſe aus irgend wel<hen Gründen vom Kopet-dagh bis in die Ebenen herabfommt. Das Tief- oder ſelbſt das Hügelland beſucht ſie immer nur ausnahmsweiſe ; doch habe ih ſelbſt ſie einmal im Winter in den Weinbergen oberhalb Mainz geſehen.

Nach unſeren Beobachtungen erinnert die Alpenkrähe lebhaft an die Dohle, fliegt aber leichter und zierlicher und iſt auh no< klüger und vorſichtiger als dieſe. Wenn man dur die Gebirge Murcias oder Andaluſiens reiſt, hört man zuweilen von einer Felſenwand tauſendſtimmiges Geſchrei herniederſchallen und glaubt, es zunächſt mit unſerer Turmdohle zu thun zu haben, bis die Maſſe der Vögel ſi<h in Bewegung ſeßt und man nun leiht an dem zierlicheren und raſcheren Fluge, bei günſtiger Beleuchtung wohl auch bei der weithin ſichtbaren Korallenfarbe des Schnabels, die Alpenkrähe erkennt. Beobachtet man die Tiere