Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

478 Erſte Ordnung: Baumvögelz; ſiebzehnte Familie: Raben. |

Rabenart und ſtört die Eintracht nicht im geringſten. Bei Gefahr ſteht ſich der ganze Shwarm treulih bei, und jeder beweiſt unter Umſtänden wirklich erhabenen Mut. So beobachteten wir, daß verwundete Alpenkrähen von den geſunden unter lautem Geſchreie umſhwärmt wurden, wobei leßtere ganz unverkennbar die Abſicht bekundeten, den unglülichen Genoſſen beizuſtehen. Eine Alpenkrähe, die wir flügellahm geſchoſſen und aus dem Auge verloren hatten, fanden wir 8 Tage ſpäter wieder auf, weil eine Felſenrite, in welcher ſie ſi verſte>t hatte, fortwährend von anderen Mitgliedern der Anſiedelung umſhwärmt wurde. Es unterlag für uns kaum einem Zweifel, daß dies nur in der Abſicht geſchah, die Kranke dur Zutragen von Nahrung zu unterſtüßen. Als Feinde, die den behenden, Élugen und vorſichtigen Vögeln ſchaden können, zählt Girtanner Wanderfalke, Habicht und Sperber, außerdem aber au< den Turmfalken auf, welch letterer ſih namentlich der Neſter gern bemächtigt und um einen Niſtplaß oft lange und hartnä>ig mit den Alpenkrähen ſtreitet jedo<h auh deren unmündige Junge aus dem Neſte hebt. Auch der Uhu mag manche alte, der Fuchs wie der Marder manche junge Alpenkrähe erwürgen.

Alle Naben ſind anziehende Käfigvögel; kein einziger aber kommt nah meinem Dafürhalten der Alpenkrähe gleich. Sie wird unter einigermaßen ſorgſamer Pflege bald ungemein zahm und zutraulih, {ließt ſi< ihrem Pfleger innig an, achtet auf einen ihr beigegebenen Namen, folgt dem Rufe, läßt ſi< zum Aus- und Einfliegen gewöhnen und ſchreitet, entſprechend untergebraht und abgewartet, im Käſige auh zur Fortpflanzung. Zhre zierliche Geſtalt und lebhafte Schnabel- und Fußfärbung, ihre gefällige Haltung, Lebhaftigkeit und Regſamkeit, Neugierde und Wißbegier, ihr Selbſtbewußtſein, Lern- und Nahahmungsvermögen bilden unverſieglihe Quellen für feſſelnde und belehrende Beobahtung. Mit der Zeit wird ſie zu einem Haustiere im beſten Sinne des Wortes, unterſcheidet Bekannte und Fremde, erwachſene und unerwachſene Leute, nimmt teil an allen Ereigniſſen, beinahe an den Leiden und Freuden des Hauſes, befreundet ſih auch mit anderen Haustieren, ſammelt allmählich einen Schaß von Erfahrungen, wird immer klüger, freilih auh immer verſhlagener und bildet zuleßt ein beahtenswertes Glied der Hausbewohnerſchaft.

Jhre Haltung iſ überaus einfah. Sie nährt ſi< zwar hauptſählih von Fleiſch, nimmt aber faſt alle übrigen Speiſen an, die der Menſch genießt. Weißbrot gehört zu ihren Le>kerbiſſen, friſcher Käſe niht minder; ſie verſ<mäht aber auh kleine Wirbeltiere niht, obwohl ſie ſih längere Zeit abmühen muß, um eine Maus oder einen Vogel zu töten oder zu zerkleinern. Schwache Vögel fällt ſie mit großer Wut an, und auh glei ſtarke, Häher und Dohlen z. B., mißhandelt ſie abſcheulih. Fhre Zuneigung beſchränkt ſih auf menſ{liche Weſen.

Die nahe verwandte Alpendohle oder Shneekrähe, Berg- und Steindohle, Schneedachel, Flütäfie und Alpenamſel (Pyrrhocorax alpinus, montanns, planiceps und forsythi, Fregilus pyrrhocorax, Abbildung S. 476) unterſcheidet ſih vou der Alpenkrähe dur<h nur kopflangen und verhältni8mäßig ſtärkeren Schnabel von gelber Färbung ſowie amſel-, niht krähenartiges Gefieder. Dieſes iſt bei alten Vögeln ſamt\{<warz, bei jungen mattſhwarxz, der Fuß bei jenen rot, bei dieſen gelb. Hinſichtlich der Größe iſt zwiſchen Alpenkrähe und Alpendohle kaum ein Unterſchied, und Lebensweiſe und Betragen ſind ebenfalls im weſentlichen dieſelben.

Auch die Alpendohle verbreitet ſih faſt über das ganze nördlih altweltliche Gebiet. Sie iſt in den Alpen überall gemein, in Spanien ziemlih ſelten, in Griechenland und Ftalien häufiger als die Alpenkrähe zu finden, tritt außerdem in Kleinaſien, Kaukaſien, Perſien, Südſibirien und Turkiſtan auf, bewohnt überhaupt alle Hochgebirge Mittelaſiens und lebt im Himalaja bis nah Bhutan nicht minder häufig als die Verwandte. Jm Altai