Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Neuntöter. Rotkopfwürger. 495

ſind als er, quält na< und na< au< Droſſeln und Stare zu Tode, obgleich dieſe ſih na< beſten Kräften zu wehren verſuhen. Naumanns Vater hielt zuweilen mehrere Dorndreher in einem fleinen Gartenhäuscen, in dem er einen kleinen Galgen, das heißt ein mit ſpizigen Nadeln und Nägeln beſpi>tes Querholz, angebracht hatte. Sperlinge und andere kleine Vögel, die er den Würgern zugeſellte, wurden von dieſen ſehr bald gefangen, dann immer auf die Nägel geſte>t und entfleiſht. Schließlih hing der ganze Galgen voller Gerippe.

Die vierte Würgerart, die in Deutſchland vorkommt, iſt der Notkopfwürger, Rottopf, Noſtna>kenwürger, Pomeraner, Waldkater oder Waldkaße (Lanius senator, auricularis, pomeranus, rutilus, ruficeps, ruficollis, rutilans. badius und melanotus, Phoneus und Enneoctonus rufus). Seine Länge beträgt 19, die Breite 29, die Fittihlänge 9, die Shwanzlänge 8 cm. Stirn und Vorderkopf, ein breiter Zügelſtreifen, der ſih als Seitenhalsſtreifen fortſezt, Mantel, Flügel und Schwanz ſind ſchwarz, Obertopf und Naen roſtrotbraun, ein Fle>en an der Stirnſeite, ein kleiner hinter dem Auge, die Schultern, der Bürzel und die oberen Shwanzde>en, alle Unterteile die Handſchwingen an der Wurzel, die Armſchwingen und Handde>en am Ende, die äußeren vier Shwanzfederpaare im Wurzeldrittel und am Ende weiß. Beim Weibchen ſind Kopf und Hinterhals matter roſtbraun, Unterrücken und Bürzel grau, die Unterteile gelblich, ſchwach dunkler quer gewellt. Der junge Vogel zeigt auf braungrauem Grunde ſ{hwärzlihe Mondfle>chen; die Flügel und der Schwanz ſind braun. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel blauſhwarz, der Fuß dunkelgrau.

In Deutſchland kommt der Rotkopf in einigen Gegenden, ſo in Thüringen, dem Rheinthale, der Mark, in Me>lenburg, Holſtein einzeln, in Südweſtdeutſchland häufiger vor, fehlt dagegen in anderen Ländern und Provinzen gänzlih. Nach Oſten hin exrſtre>t ſich ſein Verbreitungsgebiet kaum über Deutſchland hinaus, und auh im Südoſten des öſterreichiſchungariſchen Kaiſerſtaates iſt er ſelten, in Südeuropa, namentlih in Spanien und Griechenland, ebenſo in Kleinaſien, Syrien und Paläſtina dagegen der gemeinſte aller Würger. Hinſichtlich ſeines Aufenthaltes ſcheint er weniger wähleriſch zu ſein als andere Arten der Familie, ſiedelt ſi< daher allerorten an, mitten im Walde ebenſowohl wie unmittelbar hinter den Häuſern eines Dorfes, in Gärten 2c. Er kommt bei uns kaum vor Mitte Mai an und verläßt uns in der erſten Hälfte des September wieder; in Spanien wie in Griechenland trifft er faſt einen Monat früher ein, verweilt auch einige Tage länger. Seine Winterreiſe dehnt er bis in die großen Waldungen Mittelafrikas aus; hier iſt ex während und turz nah der Regenzeit außerordentlih häufig.

Jn ſeinem Betragen und Weſen hat er die größte Ähnlichkeit mit dem Dorndreher, ſcheint aber minder räuberiſch zu ſein, obgleich er ebenſowenig wie jener kleine Wirbeltiere verſ<hmäht oder unbehelligt läßt. Kerbtiere bilden ſeine Hauptnahrung, Wirbeltiere ver¡hont er jedo<, wenn ſi< ihm eine paſſende Gelegenheit zum Fange bietet, keineswegs, und Neſter plündert er niht minder grauſam als ſein Verwandter. Auch er zählt zu den Spottvögeln, da er die Stimmen der um ihn wohnenden Vögel auf das täuſchendſte nachahmt, in der ſonderbarſten Weiſe vermiſcht und ſo ein Tonſtück zuſammendichtet, das einzelne Liebhaber entzückt. Deshalb wird auch er ziemlih häufig im Käfige gehalten und je nach ſeiner größeren oder geringeren Nachahmungsgabe mehr oder minder geſchäßt.

Das Neſt ſteht auf mittelhohen Bäumen, iſt äußerlih aus dürren Stengeln und grünen Pflanzenteilen, zarten Wurzeln, Baummooſen und Flechten zuſammengebaut, inwendig mit einzelnen Federn, Borſten, Wolle und anderen Tierhaaren ausgefüttert und enthält im Mai 5—6 etwa 23 mm lange, 17 mm die Eier, die auf grünlichweißem Grunde mit aſchgrauen oder bräunlichen, am ſtumpfen Ende au<h wohl ölbraunen Punkten und Flecken gezeichnet ſind.