Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Scharla<hwürger. Falkenwüvrger. 50L

vom Männthen vorgetragen; unmittelbar auf ſie aber folgt die Antwort des Weibchens, ein unangenehmes Kreiſchen oder Krächzen, das ſih ſhwer nahahmen und noch viel ſchwerer beſchreiben läßt. Das Weibchen des Scharlachwürgers ſchließt ſein Kreiſchen erſt nah Schluß des ganzen Tonſates ſeines Gatten an, das des Flötenwürgers fällt gewöhn: lih ſchon beim zweiten Tone ein; das eine wie das andere aber beweiſt einn Taktſinn, der in Erſtaunen ſeßen muß: es läßt nie auf ſih warten. Zuweilen kommt ees auch vor, daß das Weibchen anfängt; dann kreiſcht es gewöhnlich drei-, vier-, ſe<hsmal nacheinander, ehe das Männchen einfällt. Geſchieht es endlich, ſo beginnt das Pfeifen von neuem und geht mit gewohnter Regelmäßigkeit weiter. Jh habe mih durch die verſchiedenſten Verſuche überzeugt, daß beide Geſchlechter zuſammenwirken; ih habe bald das Männchen, bald das Weibchen erlegt, um mich der Sache zu vergewiſſern. Schießt man das Weibchen voin Baume herab, ſo verſtummt natürlich ſofort das Kreiſchen, und das Männchen wiederholt ängſtlih ſeinen Pfiff mehrmals nacheinander. Erlegt man das Männchen, ſo kreiſcht oder fnarrt das Weibchen. Die Beobachtung und Belauſchung dieſer Vögel gewährt im Anfange viel Vergnügen; das fortwährend wiederholte Tonſtü>k aber wird zuleßt doh unerträglich: die Regelmäßigkeit, die ewige Gleichförmigkeit ermüdet. So entzückt man anfangs iſt von der Reinheit der Flötentöne, ſo verwundert über das Kreiſchen, ſo erſtaunt über die Art und Weiſe des Vortrags, \chliefli< bekommt man das Ganze ſo ſatt, daß man es verwünſht, wenn man es hört.

Leider bin ih niht im ſtande, mit Sicherheit anzugeben, welche Kerbtiere die Flötenwürger bevorzugen. Daß ſie ſih zu gewiſſen Zeiten vorzugsweiſe von Ameiſen nähren, hat ſ<hon Nü ppell beobachtet; nebenbei ſtellen ſie aber auch den verſchiedenſten anderen Käfern na< und namentli<h deren Raupen und Larven. Ob ſie auh Neſter plündern, muß dahingeſtellt bleiben; mix ſcheint es niht wahrſcheinlih. Das Fortpflanzungsgeſchäſt iſt zur Zeit no< gänzli<h unbekannt.

ES

Von auſtraliſchen Buſchwürgern iſt der Falkenwürger (Falcunculus frontatus, TLanius frontatus) hervorzuheben. Er iſt ein fräftig geſtalteter, angenehm gezeichneter Vogel von 16 ecm Länge, der viele Ähnlichkeit mit unſerer Finkmeiſe hat, ſi<h aber dur den ſehr kräftigen Schnabel ſofort unterſcheidet. Dieſer iſt in der That falkenartig, obgleih der Haken des Oberſchnabels und der Zahn nicht beſonders ausgebildet ſind. Die Färbung des Gefieders iſt in beiden Geſchlechtern eine ſehr ähnliche. Die Oberteile ſind olivenfarbig, die Unterteile hochgelb, eine Binde über die Stirn und die Kopfſeiten, mit Ausnahme eines vom Auge aus nah dem Nacken verlaufenden {warzen Bandes, weiß, die Haube, die Kehle und ein Teil des Vorderarmes ſ{<warz, die Vorder- und Armſchwingen ſ<warzbraun, breit grau geſäumt, die Steuerfedern, bis auf die äußerſten und die Spißen der übrigen rein weißen, wie die Schwingen gefärbt. Das Auge iſt rötlichbraun, der Schnabel ſ<warz, der Fuß bläulihgrau. Das Weibchen unterſcheidet ſih durch geringere Größe und grünlichere Kehlfärbung vom Männchen.

Nach Gould ſind die Falkenwürger auf den Süden Auſtraliens beſchränkt. Die eben beſchriebene Art bewohnt Neuſüdwales, eine ihr naheſtehende zweite Weſtauſtralien. Wo ſie vorkommen, finden ſie ſih überall, ſowohl im dichten Geſtrüppe als au< auf Bäumen der offenen Ebene. Sie ſind munter und lebhaft wie die ihnen ſo ähnlichen Meiſen, klettern auh wie dieſe längs der Äſte dahin, um nach Nahrung zu ſuchen, nehmen ähnliche Stellungen an und ſpielen oft mit ihrer Haube. Fhre Hauptnahrung beſteht in Beeren und au in Kerbtieren, die ſie von den Vlättern ableſen oder unter der Rinde der dickeren Äſte hervorziehen. Sie beweiſen ſehr große Geſchiklichteit, ſich ihre Nahrung zu verſchaffen