Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

G14 Erſte Ordnung: Baumvögel; ahtundzwanzigſte Familie: Spechte.

Boden geſchaffen hat, findet auch er hier ſi ein, um eine ſo günſtige Gelegenheit zu benußen, und es kann geſchehen, daß der Beobachter eine unerwartete Menge der Spechte antrifft. Für gewöhnlih aber ſagen ihm im Norden die Birkenwaldungen vielleicht am meiſten zu, möglicherweiſe ſhon aus dem Grunde, weil ſein Gefieder die Färbung uralter, vermorſchter, nordiſcher Birkenſtämme getreuli<h widerſpiegelt. Nach beendigter Brutzeit ſtreift auch er im Lande umher, gern in Geſellſchaft von Droſſeln, mit denen er nicht ſelten in Dohnenſtiegen gefangen wird, und bei dieſer Gelegenheit überſchreitet er dann und wann wohl au< einmal die Grenzen ſeines gewöhnlihen Wohngebietes und kommt nun in Deutſchland ſelbſt in ſolchen Gegenden vor, die ihm in feiner Weiſe behaglich erſheinen können. So wurde er, laut Naumann, einmal zufällig im Anhaltiſhen von einer Eiche herabgeſchoſſen, ſo au< wiederholt in den Vorbergen der Bayriſchen Alpen erlegt. Vielleicht ſtreift er, unbeachtet von Kundigen, viel öfter dur< unſer Vaterland, als wir auf Grund unſerer bisherigen Beobachtungen vermuten dürfen.

Jn ſeinem Weſen und Gebaren hat der Dreizehenſpeht die größte Ähnlichkeit mit dem Buntſpechte; ih wenigſtens habe an denjenigen, welche ih in Lappland und Sibirien beobachtete, keinen Unterſchied wahrnehmen können. Er iſt ebenſo munter, ebenſo gewandt, te>, raſtlos, hat einen ähnlihen Flug und eine ähnlihe, nah Angabe Girtanners nur merklich tiefere Stimme, trommelt in gleicher Weiſe, iſt ebenſo futterneidiſ<h und kommt daher au< auf nahgeahmtes Klopfen regelmäßig herbei, kurz, ähnelt dem Buntſpechte in allen Stücken. Die Nahrung beſteht wie bei leßterem aus Kerbtieren und Pflanzenſtoffen. Jn den Alpenwäldern ſcheint ex, laut Girtanner, hauptſächlich die Eier und Larven des Fichtenſpinners und außerdem noh andere Kerbtiere zu erjagen, vielleiht zum Teile wohl au< pflanzliche Nahrung, möglicherweiſe Zirbelnüſſe zu genießen; in den Waldungen der Mittelgebirge wird er mit dem Buntſpechte dieſelbe Nahrung teilen; in denen des Nordens ſieht man ihn Kerfe aller Art von den Bäumen ableſen, ihnen zu Gefallen Nindenſtücke weg und tiefe Löcher in das morſche Holz meißeln. Collet unterſuchte den Mageninhalt dreier dieſer Spechte und fand, daß er aus Larven von Fliegen und Gallmü>en und folchen des großen Holzbockkäfers, eines der ärgſten Waldzerſtörer, ſowie weniger anderer Kerbtiere, namentlich Schmetterlingen, beſtand. Jm Herbſte wird er unzweifelhaft au<h Pflanzenſtoffe, insbeſondere Beeren, freſſen, weil es ſih fonſt niht erklären ließe, daß man ihn in Dohnenſtiegen fängt. Über das Brutgeſchäft liegen noh wenige und dürftige Nachrichten vor. Nach Graf Wodzicki iſt ex in der Zeit des Niſtens ſehr vorſichtig, zimmert ſih an 20—30 Löcher, ſit bei Nacht bald in dieſem, bald in jenem und baut ſein Neſt doh noch in einem anderen. Deshalb entde>t man ſeine Bruthöhle gewöhnlich erſt, wenn er die Jungen agzt. Eine Niſthöhlung, die Girtanner unterſuchte, befand ſi in einer hohen, kränkelnden Tanne eines etwa 1600 m über dem Meere gelegenen Hohwaldes von Graubünden, jedoch in ſo bedeutender Höhe, daß der Baum gefällt werden mußte, um die Fungen zu erreihen. Solche Höhlen werden von dem Vogel ſelbſt ausgemeißelt und unterſcheiden ſih niht von der unſeres Buntſpechtes. Die 4—5 Eier, deren größter Durhmeſſer 24—26 und deren kleinerer 18 bis 19 mm beträgt, ſind glänzend weiß, werden Anfang Juni gelegt und wahrſcheinlih von beiden Eltern bebrütet, die auh gemeinſhaftlih die Pflege der Jungen übernehmen.

Jung aus dem Neſte genommene Dreizehenſpechte, die Girtanner pflegte, nahmen unter beſtändigem, gegenſeitigem Balgen und unaufhörlichem, dem des Kleinſpechtes ähnelndem, jedoh etwas tieferem, ungefähr wie „gigi“ klingendem Geſchrei die ihnen gereichten Ameiſenpuppen ab, entwi>elten ſih auch ſehr ſhön und faſt bis zum Flüggewerden, wurden aber eines Morgens ohne irgend eine erflärlihe Urſache tot gefunden, ſcheinen ſih ſomit niht leiht in Gefangenſchaft erhalten zu laſſen.

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