Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

474 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; dritte Familie: Kranichgeier.

ohne Flügelſchlag hin und her durch die Luft, den Gegner beobachtend, ſolange ihr ſcharfes Auge noch die Entfernung des Feindes erkennen konnte. Herna<h ſammelte ſich die gefräßige Schar von neuem über dem Aaſe und ließ ſi< langſam auf die wertvolle Beute hinab, hier einer den anderen von der Stelle drängend oder mit S<hnabel und Flügel die Lieblingsſtätte verteidigend. Einen Ton hört man dabei nicht, ſie ſind bei allen ihren Bewegungen ſtumm.“ Auch Naubvögel beläſtigen die Hühnergeier. Caracara und Chimango fallen, wenn die Geier ihren Kropf gut gefüllt haben, über ſie her und quälen ſie ſo lange, bis ſie die bereits geborgene Nahrung wieder ausbrechen.

ah Tſchudi horſtet der Gallinazo auf Hausdächern, Kirchen, Ruinen und abgelegenen hohen Mauern, und zwar im Februar und März. Das Gelege ſoll aus 3 weißlihbraunen Eiern beſtehen. Der Urubu foll nah demſelben Berichterſtatter ſandige Felſenrücken der Seeküſte oder kleine Fnſeln in deren Nähe zur Anlage des Horſtes wählen und hier zu derſelben Zeit 3—4 Eier legen, die rundlicher und heller ſind als die des Gallinazos. Alle übrigen Berichterſtatter, mit Ausnahme Abbotts, geben übereinſtimmend an, daß beide Vögel nur 2 Eier legen, und zwar auf die bloße Erde, entweder in Felſenſpalten oder unter einen halb umgefallenen Vaumſtamm, welcher der Brut etwas Schuß gegen die Witterung gewährt, auh wohl in eine Baumhöhle ſelbſt oder unter Höhlungen im Gewurzel. Jn den ſüdlichen Staaten Nordamerikas, in Texas und Mexiko, wählen die Hühnergeier am liebſten innerhalb ſumpfiger Stre>en einen Hügel, der bei Hochwaſſer nicht überſ<hwemmt wird, zur Niſtſtätte oder ſcharren unter einem Gebüſche eine ſeichte Höhlung aus, die dann als Horſt dient. Sehr häufig niſten ſie mitten unter Neihern und anderen Sumpfvögeln. Beide Eltern brüten, nah Audubon, abwechſelnd 32 Tage lang, und einer der Gatten füttert dabei den anderen, indem er ihm das im Kropfe aufgeſpeicherte Aas vorwürgt. Die Jungen werden genau in derſelben Weiſe geaßt, zuerſt jedo<h mit halb verdautem, fein zerſtüceltem Aaſe, ſpäter mit größeren Biſſen.

Gegenwärtig ſieht man gefangene Hühnergeier ſelten in den Tiergärten. Durch Azara exfahren wir, daß ſie außerordentli< zahm, ja zu wirklichen Haustieren werden können. Ein Freund dieſes Forſchers beſaß einen, der aus und ein flog und ſeinen Heren bei Spaziergängen oder Jagden im Felde, ja ſogar bei größeren Reiſen begleitete, wie ein folgſamer Hund auf den Ruf folgte und ſih aus der Hand füttern ließ. Ein anderer begleitete ſeinen Pfleger auf Reiſen über 50 engliſche Meilen weit, hielt ſi< ſtets zu dem Wagen und ruhte, wenn er müde war, auf deſſen Dache aus, flog aber, wenn es heimwärts ging, voraus und kündigte hier die Rückkunft des Hausherrn an.

Wahrſcheinlich iſt es richtig, einen Fangvogel der von den einen als Habicht, von den anderen als Geierfalke angeſehen wird, aber höchſt eigenartig erſcheint, zum Vertreter einer eignen Familie, die der Kranichgeier (Serpentariidae) zu erheben.

Der Sekretär, Kranichgeier oder Schi>kſalsvogel (Serpentarius secretarius, reptilivorus, africanus, cristatus und orientalis, Gypogeranus serpentarinus, africanus, capensis, gambiensis und philippensis, Falco und Vultur serpentarinus, Sagittarius serpentarius und secretarius, Astur secretarius, Ophiotheres cristatus, Otis secretarius) zeihnet ſih vor allen übrigen Fangvögeln durch ſeine ungewöhnlih langen Fußwurzeln aus, infolge deren ſeine Beine an die wirklicher Kraniche erinnern. Ex iſt ſ<hlank gebaut, der Kopf ziemlih klein, breit und auf dem Scheitel etwas flach gedrüct, der Hals verhältnismäßig lang und dünn, der Leib geſtre>t, der Schnabel kürzer als der Kopf, di, ſtark, faſt von der Wurzel an gebogen, ſeitlih gewölbt, an der Spibe