Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Edelvreiher. Kuhvreiher. 491

Horſte aufrichtet und der kleinſte noch feſtſizt. Zwei Tage ſpäter erfährt er, daß der ältere bereits den Horſt verläßt, ſih fliegend auf den nächſten Baum begibt und faſt den ganzen Nachmittag daſelbſt verweilt, das zweite Junge neben dem Horſte auf dem Aſte, das dritte aufre<t in dem Horſte ſelbſt ſteht, der abends alle drei wieder vereinigt. Da erhält das Regiment Befehl, nach der polniſchen Grenze abzurü>en, und unſerem wackeren Homeyer bangt natürli für ſeine Schüßlinge. Er beeilt ſih, mit allen Jagdliebhabern zu ſprechen, ſtellt die Tiere gleichſam unter den Schub der ganzen Stadt, macht auf das ſeltene Vorkommen aufmerkſam und hebt hervor, daß, im Falle das Brutgeſchäft in keiner Weiſe geſtört wird, ein Wiederkehren der alten und jungen Vögel im nächſten Fahre durchaus niht unmöglich ſei. Seine Worte finden ſo viel Anklang, daß er wirklih auf guten Erfolg hoffen darf. Er verläßt am 28. Juli Glogau; die jungen Reiher entfliegen an demſelben Tage ihrem Horſte und — werden au< an demſelben Tage zuſammengeſchoſſen ! :

Naumann meint, daß der Edelreiher leichter erlegt werden könne als der Fiſchreiher: ih muß das Gegenteil behaupten, denn ih habe ihn ſtets ſehr ſcheu gefunden. Der Vogel hatte auc alle Urſache, dies zu ſein. Man ſtellt ihm in ſeiner Heimat eifrig nah, insbeſondere der prachtvollen Rü>tenfedern wegen, aus welchen die berühmten Reiherbüſche zuſammengeſeßt werden. Jn den Augen der Ungarn und Walachen gilt es als ein Kunſtſtü>, einen der vorſichtigen Vögel überliſtet zu haben. Neuerdings ſicht man den prächtigen Vogel in allen Tiergärten, hat au< in dem zu Berlin wiederholt die Freude gehabt, Funge zu züchten.

Ein allerliebſter Vogel iſt der Kuhreiher (Ardea ibis, bubuleus, aequinoctialis, flayirostris, coromandelica und russata, Ardeola bubulenus, coromandelica, ibis, ruficristra, Herodias bubulcus, Buphus russatus und coromandelicus, Bubuleus ibis), mit gedrungener Geſtalt, kurzem Halſe, kurzem und kräftigem Schnabel, niederen Beinen und zerſchliſſenen, haarartigen Shmu>federn. Das Gefieder iſt blendend weiß, im Hochzeitsfleide auf dem Oberkopfe, der Vorderbruſt und dem Rücken mit langen Shmu>federn von roſtroter Färbung geziert. Das Auge iſt hellgelb, der Zügel und das Augenlid grünlichgelb, der S<hnabel orangenfarben, der Fuß rötlichgelb, bei jüngeren Vögeln bräunlih. Die Länge beträgt 50, die Breite 90, die Fittihlänge 25, die Shwanzlänge 8 em. Das Weibchen iſt etwas Éleiner.

Wahrſcheinlih ſehen die meiſten Reiſenden, die Ägypten beſuchen, dieſen Reiher als den Jbis an, weil ſie der Anſicht ſind, daß leßtgenannter Vogel im Lande der Pharaonen noh häufig vorkomme. Von hier aus erſtre>t ſich ſein Wohngebiet über ganz Afrika, einſ<ließlih Madagaskars, und über das weſtlihe Aſien. Europa, zumal den Süden, hat er wiederholt beſucht, ſih ſogar bis nah England verflogen. Fm Fahre 1890 ſah Freiherr von Kalbermatten in den Donauſümpfen unfern der Draumündung ſehs Stü beiſammen. Jn Ägypten wie in den Nilländern überhaupt zählt er zu den gemeinſten Vögeln des Landes. Abweichend von den bisher erwähnten Verwandten, hält er ſi< unbeſorgt in nächſter Nähe der Ortſchaften auf, auh wenn ſie niht am Waſſer liegen. Sein gewöhnlicher Aufenthaltsort ſind die Felder, die unter Waſſer geſeßt werden, und nur zeitweilig treibt er ſih auch an den Ufern des Stromes, der Kanäle und Seen umher; doch traf ihn von Heuglin ſelbſt am Geſtade des Roten Meeres auf öden, glühenden vulkaniſchen Klippen an. Fn dex Steppe erſcheint er zur Heuſchre>enzeit zu Hunderten und Tauſenden; ſelbſt die Wüſte meidet er, der in ihr verkehrenden Laſttiere halber, niht gänzlich. Mit beſonderer Vorliebe nämlich hält er ſi< in der Nähe größerer Tiere oder auf dieſen ſelbſt auf, in Ägypten bei weidenden Büffeln, im Sudan unter und auf den Elefanten. Hier beſchäftigen ihn die Schmaroßer; denn die verſchiedenen Kerbtiere, die das Vieh quälen, bilden einen Hauptteil