Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

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Rallenreiher. Zwergrohrdommel. 493

Jm Vergleiche zu den bereits geſchilderten Verwandten führt er eine mehr oder weniger verſte>te Lebensweiſe. Am Brutplaße bevorzugt er ausgedehnte Sümpfe mit viel freiem Waſſer und bebuſchte Flußufer und Juſeln jeder anderen Örtlichkeit; in der Winterherberge verhält er ſich genau ebenſo. Hier, zwiſchen den ihn dedenden Gebüſchen, pflegt er feine Jagd zu betreiben, erſcheint aber auh an freien, offenen, ſeihten Stellen der Gewäſſer/beſonders gern auf überfluteten Uferſtre>en der Ströme, unter Waſſer geſeßten Wieſen, zumal Viehweiden, und untiefen Sümpfen und Brüchen. Wie der Kuhreiher, ſucht auh er mit Vorliebe die Nachbarſchaft größerer Säugetiere auf, iſt daher in Ungarn der beſtändige Begleiter der an ſeinen Lieblingspläßen ſih gefallenden Schweine und nimmt bei Gefahr inmitten einer Herde der Borſtenträger Zuflucht. Fiſchend und jagend verweilt er meiſt den ganzen Tag über auf einer Stelle, hält hier au< wohl ein Mittagsſchläfchen und fliegt erſt gegen Abend weiter umher, zuletzt ſeinem Schlafplaße im dichteſten Ufergebüſche oder Röhricht zu.

Sein Betragen iſt in mancher Beziehung eigenartig. Jm Stehen zieht er den Hals ſehr ein und erſcheint daher viel gedrungener oder dier, als er in Wirklichkeit iſt, nimmt auh wohl abſonderliche Stellungen ein, ohne jedo<h zu ſo wunderlichen Verrenkungen zu ſchreiten, wie die nähtlihen Reiher zu thun pflegen; im Gehen ſeßt er bedahtſam ein Bein vor das andere, ſhleiht aber niht ſo gemeſſen dahin wie andere ſeines Geſchlechtes; im Fluge legt er den Hals in die Biegungen eines 5 und bewegt die niht ſehr breiten Flügel in ſanften, niht weit ausholenden Shwingungen. Obwohl im allgemeinen wenig ſcheu, eher vertraulich, zeigt er ſih doh gegenwärtig, infolge der auch ihm ſeiner Federn halber von gewerbsmäßigen Raubſchüßen drohenden Nachſtellungen, gewißigt und läßt ſich, wie ih im Jahre 1878 erfuhr, in Ungarn niht mehr ſo ohne weiteres auf den Leib rü>en wie in den dreißiger Jahren, zuzeiten der Reiſe unſeres unvergleihlihen Naumann. Anderen, zumal harmloſen Tieren gegenüber bethätigt er Vertrauen oder Gleichgültigkeit. Seine Stimme, ein kurzer, ſhnarchender, heiſerer oder gedämpfter, wie „farr“ oder „harr“ klingender Laut, wird ſelten und niht auf weithin vernommen.

Auch der Rallenreiher nährt ſi< vorzugsweiſe von Fiſchen, vermag jedo<h nur ſehr kleine und auch dieſe bloß in ſeihtem Waſſer zu fangen. Außerdem ſtellt er jungen Fröſchen und Waſſerkerfen nah. Die wühlenden Schweine, die auch ſeine Nahrung nicht verſhmähen, ſind ihm ſehr behilfli<h, Beute zu gewinnen.

Zu Ende Mai ſchreitet er zur Fortpflanzung. Auf dem Horſtſtande nimmt er, laut Baldamus, die mittlere Höhe der Bäume ein und wählt hier beſonders die Seitenäſte zur Anlage des leinen, ſauberen, aus feinem Reiſig und Gewürzel erbauten und mit Faſern, Faxrnkraut und tro>enen Schilfblättern ausgelegten, faſt immer dur<ſihtigen Neſtes. Die 4—5 Eier ſind dur<ſhnittlih etwa 43 mm lang, 31 mm di>, rein eigeſtaltig, äußerſt zart: \calig, obwohl grobkörnig und grün von Farbe. Für den Verlauf des Brutgeſchäſtes und die Erziehung der Jungen gelten die in der Einleitung gegebenen Mitteilungen.

Geringe Größe, ſhlanker Schnabel, niedrige Läufe, die bis zu den Fußgelenken befiedert ſind, verhältnismäßig lange Flügel, in welchen die zweite Schwinge die längſte, kurzer, ſhwachher Schwanz und nicht beſonders reiches, na<h Alter und Geſchlecht verſchieden gefärbtes Gefieder kennzeihnen die Gattung der Zwergreiher (Ardetta), die in Deutſchland oder Europa überhaupt durch die Zwergrohrdommel (Ardetta minuta, Ardea minuta, Ardeola minuta und pusílla, Nycticorax minutus, Botaurus minutus und pusillus) vertreten werden. Fhre Länge beträgt 40, die Breite 57, die Fittichlänge 14, die Shwanzlänge 5 cm. Das Gefieder iſt auf Oberkopf, Na>ken, Rücken und Schultern ſ<warzgrünlih ſchillernd auf dem Oberflügel und dem Unterkörper roſtgelb, an den Seiten