Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Hausſtor<: Weſen. Stimme. Nahrung. Schädlichkeit. 511

neuem zu verſchlingen ſucht. Bei großer Gier ſchlu>t er kleinere Schlangen oft, ohne ſie vorher im geringſten zu bearbeiten; ſie toben no< lange im Halſe herum, huſchen auh leiht, wenn er ſi<h raſh bü>t, um eine neue Beute zu greifen, wieder heraus, ſo daß, wenn er auf freiem Boden mehrere Schlangen vor ſich hat, recht luſtige Jagden entſtehen. Auch die giftigen Kreuzottern ſind ihm eine Lieblingsſpeiſe; er haut ſie aber, ſo oft es ans Schlu>en geht, wiederholt und ſo derb auf den Kopf, daß ihnen Hören und Schen vergeht. Verfährt er einmal zu raſh und unvorſichtig und wird von einer Otter gebiſſen, ſo leidet er einige Tage ſehr, erholt ſih dann aber gänzlih. Die Eier aller Bodenbrüter nimmt er aus; junge Vögel, auh Rebhühner, tötet er ohne Gnade, ſ{hleppt ſeinen Fungen ſogar volle Vogelneſter zu; den Mäuſen lauert er auf Feld und Wieſen vor ihren Löchern auf ; die Maulwürfe ſpießt er im Aufſtoßen, junge Haſen nimmt er der Mutter troß mutiger Verteidigung weg. Auf blumigen Wieſen treibt er eifrig Kerbtierfang und ergreift nicht allein die ſißenden und friehenden, ſondern bemüht ſi<h auh, die umherſchwirrenden noh im Fluge wegzuſhnappen. Kröten ekeln ihn an; er haßt ſie ſo, daß er ſie tötet, rührt ſie aber niemals an. Naumann fand an einem Teiche zahlloſe Kreuzkröten, entweder tot oder mit aufgeriſſenem Bauche und zerfeßten Eingeweiden in den lebten Zuckungen liegen: Opfer zweier Störche, die an demſelben Teiche regelmäßig fiſten.

Da der Storch, wie aus Vorſtehendem zu erſehen, der Jagd ſchadet, auh dur<h Wegfangen von Bienen ſich Übergriffe erlauben foll, zählen ihn Jäger und Fmker zu den ſ{hädlihen Vögeln und wollen ihn ausgerottet wiſſen. Einzelne Naturforſcher ſtellen ſih auf die Seite jener, re<hnen ihm alle Fröſche nach, die er vertilgt, und wollen glauben machen, daß er Flur und Feld veröde. Daß ſolche Behauptungen arge Übertreibungen ſind, bedarf kaum des Beweiſes. Selbſt wenn man ſeine Schädlichkeit in jagdlicher Beziehung im vollen Umfange zugeſteht, wird man ſi beſinnen müſſen, bevor man ihm das Verdammungsurteil ſpriht. Haſen, Nebhühnex, Singvögel, Fröſche und Fiſche rottet er niht aus, {mälert ihren Beſtand niht einmal in nennenswerter Weiſe, und dem Land- und Forſtwirte ſchadet er auh niht; dies aber kommt doh wohl in erſter Reihe in Betracht. Beide haben daher ret, ihn zu den überwiegend nüßlihen Vögeln zu zählen und in Anerkennung der guten Dienſte, die er leiſtet, ſeine niht in Abrede zu ſtellenden Übergriffe ihm nachzuſehen. Aufmerkſame Landwirte haben beobachtet, daß in Jahren, in welchen die Störche ſelten waren, die Mäuſe bedenklih überhandnahmen und gleichzeitig Ungeziefer anderer Art, insbeſondere die Kreuzotter, viel häufiger gefunden wurde als ſonſt. Das wenigſtens erſteres begründet ſein dürfte, erſcheint jedem wahrſcheinlich, der aus den vom Storche ausgeſpieenen Gewöllen die von dieſem vertilgte, thatſählih jeder Berehnung ſpottende Unzahl von Mäuſen abzuſchäzen verſucht. Es iſt neuerdings gebräuhlih geworden, mit anderen Augen zu ſehen, als unſere Altmeiſter der Vogelkunde ſahen, und jede nah Anſicht dex betreffenden Beobachter Schaden bringende Thätigkeit eines Tieres ins Ungeheuerlihe aufzubauſchen: kein Wunder daher, daß auch der Storch darunter leiden muß. Was man aber auh gegen dieſen vorbringen mag: ſo viel ſteht do< wohl feſt, daß Fröſche, Shhne>en und Regenwürmer den Hauptteil ſeiner Nahrung ausmachen. Alle genannte Tierarten ſind aber no< in Überzahl vorhanden, und wenn die doh au< niht unbedingt nüßlichen Fröſche da, wo Störche leben, thatſähli< abnehmen ſollten, trifft den Menſchen ſicherlih ſhwerere Schuld als den Storh. Unſere Fluren verlieren mehr und mehr die großen, auf weithin ins Auge fallenden und gerade deshalb das Gelände belebenden Vögel: laſſe man daher den reizloſen, waſſer- und froſchreichen Ebenen wenigſtens ihren Storch.

Die Anhänglichkeit des Vogels an den Menſchen bekundet ſi< vorzugsweiſe während der Paarungszeit. „Man muß erſtaunen“, ſagt Naumann, „daß Störche, die in einer fremden Gegend groß wurden, bei allem angeborenen Mißtrauen ſogleih erkennen, daß