Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

DIS Zehnte Drdnung: Stoßvögel; ſechſte Familie: Störche.

man ſie gern ſicht, die Anſtalten, mit welhen man ihnen entgegenkommt, verſtehen und den Wünſchen der Menſchen folgen. Vor wenigen Jahren zeigte ſih ein Storhpaar in meiner Gegend und muſterte die breiten Köpfe der alten hohen Pappeln zwiſchen zwei Nachbardöôrfern, ein Zeichen, das der daſige Jagdbeſißer niht ſogleih verſtand, den Störchen, dort eine ſeltene Erſcheinung, mit dem Schießgewehr na<hſ<li<, auch vergeblich cine Kugel ihnen nachſendete, worauf ſie eine Viertelſtunde weiter gingen. Hier, in einem anderen Dorfe, erriet man ihre Abſicht, befeſtigte ein altes Wagenrad auf dem Firſte eines hohen Strohdaches; die Störhe nahmen ſogleih die Einladung an, waren in wenigen Tagen mit dem Baue des Neſtes auf jener Grundlage fertig, völlig heimiſch und kommen ſeitdem alle Jahre wieder. Der Grund dieſer Zuneigung zum Menſchen bleibt jedenfalls rätſelhaft; daß aber doh wohl die Sicherheit, die ihnen aus allgemeiner Zuneigung der Menſch in ſeiner Nähe gewährt, ſowie der ſichere, feſte Stand des Neſtes ſowohl für alt wie jung wenigſtens niht Nebenſache dabei ſind, mag ſ<hwerlih geleugnet werden fönnen. Das Vertrauen auf menſchliche Hilfe iſt bei ihnen ſo groß, daß ſelbſt ſolche Störhe, welche die Abſicht verraten, ihr Neſt auf einem Baume zu bauen, es ſoglei<h annahmen, wenn man ihnen aufs Geratewohl auf dem erſten beſten eine Grundlage mate, Stangen oder Stäbe annagelte und Reiſigbündel befeſtigte, worauf ſie ſogleih ihren Bau begannen. Man kann ſie ſogar dahin, wo ſonſt keine waren, mit ſol<hen Anſtalten lo>en, falls die Gegend eine ihnen zuſagende Beſchaffenheit hat.“ Noch auffallender erſcheint mix, daß bei uns zu Lande eben nur der Hausſtor<h, niht aber auch ſein ihm höchſt ähnlicher Verwandter, der Wald- | ſtor, ſih ſo mit dem Menſchen befreundet.

Dex einmal begründete Horſt wird alle Jahre zum Brüten benußt: man kennt einzelne, die ſeit 100 Fahren jeden Sommer bewohnt waren. Wie viele Fahre nacheinander daëſelbe Paar das Neſt benußbt, weiß man niht, nimmt aber, und gewiß mit Recht, an, daß die Lebensdauer der Vögel eine ſehr lange und demgemäß Wechſel der Neſteigentümer ſelten iſt. Jn der Regel erſcheint der Stor ein paar Tage früher als die Störchin, gewöhnlih benimmt er ſi<h aber ſo, daß man an ſeiner Eigenſchaft als Beſizer gar nicht zweifeln kann. Kommt, wie es zuweilen geſchieht, nur einer der Störche zurü>, ſo währt es oft lange Zeit, bevor er ſi<h einen Gatten gefreit, und in der Negel entſtehen dann heftige Kämpfe um das Neſt, indem ſi<h wahrſcheinlich junge Paare einfinden, die gemeinſchaftlih über den früheren Fnhaber herfallen, ihn zu vertreiben ſuchen und auch oft genug vertreiben oder ſogar umbringen Unter ſolchen Umſtänden wird der Menſch zuweilen genötigt, einzugreifen, um den Frieden zu erhalten. Aus allen Beobachtungen darf man folgern, daß die Che eines Storchpaares für die Lebenszeit geſchloſſen wurde und beide Gatten ſich in Treue zugethan ſind. Über jeden Zweifel erhaben iſt dieſe Treue zwar nicht; denn man tennt Fälle, daß eine Störchin fremden Stören Gehör gab, will ſogar beobachtet haben, daß ein unbeweibter Storch plößlih über den neben ſeinem Neſte Wache haltenden Gatten herfiel und ihn mit einem wohlgezielten Schnabelſtoße tötete, nihtsdeſtoweniger aber von der brütenden Störchin ohne weiteres angenommen wurde; man ſpriht auh von Auftritten, die leider gerechtfertigte Eiferſucht der männlihen Störche unverkennbar bekundeten.

Solchen Ausnahmen kann man andere Züge entgegenſtellen, die für die Treue des Storchpaares ſprechen. Ein Storch blieb 3 Fahre lang zurü> und ſuchte an Quellen und Bächen Nahrung, oder während der grimmigſten Kälte unter Stalldächern Schuß. Jedes Fahr kam ſein Gatte zurü>, und ſie brüteten wie gewöhnlich. Der zuerſt zurücbleibende war das Weibchen. Vom vierten Herbſte an blieb nun aber au< das Männchen in Geſellſchaft ſeines Weibchens während des Winters in der Heimat und dies 3 Jahre hintereinander. Beide wurden endli< von böſen Menſchen getötet, und es ergab ſich, daß das Weibchen