Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Haus ſtor<h. Schwarzſtorch. SS

freies Aus- und Einfliegen geſtatten darf, begrüßt ſeinè Bekannten durh Schnabelgeklapper und Ausbreiten der Flugwerkzeuge, erkennt ihm angethane oder zugedahte Wohlthaten und Freundlichkeiten dankbar an, befreundet ſih ebenſo mit größeren Haustieren, läßt ſich, ſ<wächeren gegenüber, freilih auh Ausſchreitungen zu ſhulden kommen und kann Kindern gefährlih werden. Hält man ihn paarweiſe, und gewährt man ihm eine gewiſſe Freiheit, ſo ſchreitet er auh wohl zur Fortpflanzung. Auch paart er ſih mit einem frei lebenden, zieht mit dieſem vielleicht ſogar im Winter weg, kehrt im nächſten Frühjahre zurü> und benimmt ſi<h wie vorher.

Man hat erfahren, daß der Hausmarder zuweilen junge Störche überfällt und umbringt, kennt aber kein Raubtier, das alten gefährlich ſein könnte, die größeren Kaßenarten und Krokodile, die in der Winterherberge einen und den anderen. wegnehmen, vielleicht ausgenommen. Gleichwohl vermehren ſih die Störche anſcheinend niht; es müſſen alſo viele von ihnen zu Grunde gehen. Der Menſch verfolgt ſie glü>licherweiſe noh nirgends in dem Maße, wie von einzelnen Heißſpornen gewünſcht zu werden ſcheint.

Die zweite Art der Familie, die Deutſchland bewohnt, iſt der Shwarzſtorh oder Waldſtor< (Ciconia nigra und fusca, Ardea nigra, atra und chrysopelargus, Melanopelargus niger). Seine dur<ſ<nittlihe Länge beträgt 105, die Breite 198, die Fittichlänge 55, die Schwanzlänge 24 em. Das Gefieder des Kopfes, Halſes und der ganzen Oberſeite iſt braunſhwarz, prachtvoll kupfer- oder goldgrün und purpurfarben ſchimmernd, das der Unterſeite von der Oberbruſt an weiß; die Schwingen und Schwanzfedern ſind faſt glanzlos. Das Auge iſt rötlichbraun, der Schnabel blutrot, der Fuß hoch karminrot. Jm Jugendkleide iſt das Gefieder bräunlih ſ{hwarzgrün, {mutig weißgrau geſäumt und faſt glanzlos, das Auge braun, der S<hnabel rötlich, der Fuß gräulich o!ivengrün.

Der Waldſtor<h bewohnt Mittel- und Süd-, ſeltener Nordeuropa, viele Länder Aſiens und im Winter Afrika. Jn unſerem Vaterlande brütet er in geeigneten ruhigen Waldungen der norddeutſchen Ebene allerorten, häufig in Oſt: und Weſtpreußen und Pommern, niht ſelten in der Mark, in Me>lenburg, Oldenburg, Braunſchweig und Hannover, einzeln in Schleswig-Holſtein, Anhalt, Sachſen, ſeltener in Weſtfalen, Heſſen und Thüringen, ſehr einzeln auh im ſüdlihen Deutſchland; in dem öſterreichiſh-ungariſchen Kaiſerſtaate tritt er beſonders häufig in Mittelungarn und Galizien auf; in Skandinavien kommt ex einzeln bis zum 60. Grade, in Nußland und Polen hier und da, in Dänemark geeigneten Ortes überall als Brutvogel vor; die Donautiefländer und die Türkei beherbergen ihn nicht ſelten; Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Ftalien und Griechenland berührt er nur auf dem Zuge. Fn Aſien erſtre> ſi ſein Brutgebiet über ganz Turkiſtan und Südſibirien, die Mongolei und China. Den Winter verbringt er in Mittel: und Südafrika, Paläſtina, Perſien und Fndien. Jules Verreaux’ Angabe, daß er auh im Kaplande brüte, bedarf der Beſtätigung. Bei uns zu Lande erſcheint er Ende März oder im April, bezieht ſeine alten Niſtorte und begibt ſi< vom Auguſt an wieder auf die Neiſe. 6

Vom Hausſtorche unterſcheidet er ſih vor allem anderen dadur<, daß er ſeinen Aufenthalt ſtets in Waldungen, niemals aber in Ortſchaften nimmt. Auch er zieht die Ebene dem Gebirge und waſſerreiche Gegenden den tro>enen vor, tritt jedoh hier wie dort auf, falls er nur über alte, ſperrige oder wipfeldürre Bäume eines ſtillen, wenig von Menſchen beſuchten Waldes verfügen kann. Auf ſolchen Bäumen brütet er, und auf ihnen hält er Nachtruhe.

Weſen und Betragen, Eigenſchaften, Sitten und Gewohnheiten, alle Bewegungen, die Art und Weiſe, Gefühle auszudrü>en, kurz das ganze Gebaren des Schwarzſtorches ähnelt dem des menſenliebenden Verwandten ſo, daß eine ausführliche Schilderung überflüſſig

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