Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Leiſtenkrokodil und Sumpfkrokodil. 929

Geräuſche gewöhnlih ſogleich, jedo< in größter Stille dem Ufer. Sind es Menſchen, die das leßtere betreten, ſo kommt es allmählih herbei und hält ſich ſo lange unter der Oberfläche des Waſſers verborgen, bis ſih eine paſſende Gelegenheit darbietet, einen Anfall zu wagen. Ein ſolcher mißglü>t ſelten, da es meiſtenteils nicht eher auf den belauerten Gegenſtand losſchießt, als bis ſi dieſer hinlänglich ſicher in ſeiner Gewalt befindet. Beim Überfalle, beim Anbeißen und Fortſhleppen des Raubes ſind die Bewegungen dieſer Krokodile pfeilſ<nell, und zwar in ſol<hem Grade, daß man von Menſchen, die durch ſie einen gewaltſamen Tod erleiden, nur ſelten einen Schrei vernimmt. Jmmer zieht es ſeine Beute ſogleih unter das Waſſer, erſcheint aber kurze Zeit darauf mit ihr wieder an der Oberfläche. Jt die Beute klein, ſo verſchlingt es ſie ſofort im Schwimmen, wobei es den Kopf über das Waſſer hält; größere Tiere oder Menſchen hingegen verzehrt es gewöhnlich ruhig gegen Abend oder in der Nacht, für welchen Zwe> es ſeinen Raub an eine einſame Stelle des Ufers bringt. Durch ſtarkes Hin- und Herſchleudern und dadurch, daß es die Beute gegen den Boden ſ<lägt, ſ{heint es ſie teilweiſe zu zermalmen und mit Hilfe der Vorderfüße in Stücke zu zerreißen.

„So unternehmend und ſtark die Krokodile im Waſſer ſind, ſo furhtſam und ſcheu zeigen ſie ſih, wenn ſie es verlaſſen haben. Beim Anblike eines Menſchen, der ſih ihnen zu Lande oder in einem Nachen nähert, flüchten ſie eiligſt nah dem Strome, ſtürzen ſich mit Geräuſh ins Waſſer, bringen beim Untertauchen ein heftiges Getöſe dur< einige fürchterliche Shläge mit dem Schwanze hervor und verſhwinden dann unter dem Waſſer. Auf dem Lande iſt ihr Lauf im allgemeinen träge und mühſam; furze Entfernungen können ſie jedo< mit unbegreifliher Schnelligkeit zurü>legen. Größere Wanderungen unternehmen ſie nur des Nachts; denn ſie find eigentlich mehr Nacht- als Tagtiere und, gleich den großen Kaßenarten, des Abends und gegen Mitternacht am gefährlichſten. Schwimmend bewegen ſie ſich ſtromauf- wie ſtromabwärts mit gleicher Leichtigkeit. Spuren von Fröhlichkeit oder gegenſeitiger Anhänglichkeit haben wir an ihnen niht bemerkt; jedes einzelne lebt für ſich.“ - |

Six Emerſon Tennent berihtet, daß das Sumpfkrokodil während der tro>enen Jahreszeit größere Wanderungen zu unternehmen ſuche, das Leiſtenkrokodil aber, wie jenes unter Umſtänden auch, ſih bei Austro>nung der Gewäſſer in den Schlamm einwühle, in einen Zuſtand von Erſtarrung falle und hier bis zu dem nächſten Regen verharre. Fn einer der öſtlihen Provinzen Oſtindiens beobachtete er ſelbſt das Bett eines derartigen Winterſchläfers, das deſſen Formen vollſtändig wiedergab. Ein Offizier erzählte ihm, daß er einſtmals ſein Zelt auf dem Schlamme eines ausgetro>neten Sees aufgeſchlagen habe und während der Nacht niht wenig erſhre>t wurde dur< Bewegungen der Erde unter ſeinem Bette, die auh am folgenden Tage fortdauerten und in der Auferſtehung eines Kroftodiles ihre Erklärung fanden.

Alle größeren Tiere fürchten das Leiſtenkrokodil in niht geringerem Grade als die Eingeborenen. „Hunde“, fährt Müller fort, „die einmal ein ſolches Ungeheuer in der Nähe geſehen haben, zeigen ſi< ſo furhtſam, daß ſie ſi<h dann ſpäter nur äußerſt langſam und mit größter Vorſicht nah dem Waſſer begeben. Am Strande von Timor haben wir mehr als einmal die Beobachtung gemacht, daß ein ſolher Hund plößlih vor ſeinem eignen Schatten zurü>wich, eine halbe Stunde lang zitternd und bebend 6 oder 8 Schritt weit vom Waſſer ſtehen blieb und unter anhaltendem furhtſamem Stieren nah dem Orte, auf welhem ihm das Schre>bild erſchienen war, erſt heftig bellte und nachher ein lautes und ſhwermütiges Geheul erhob. Überfällt die Eingeborenen auf einer Waſſerreiſe, die ſie auf einem kleinen Boote unternehmen, die Nacht, ſo wählen ſie, ſobald es dunkel zu werden beginnt, den mittleren Teil des Stromes, weil ſi hier die Krokodile ſeltener