Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Teichſhildkröte. Doſenſchildkröte. 571

nur einigemal ſeinen Namen zu nennen, worauf er eilfertig den Tuffſteinfelſen erklettert und zwar oft in ſolcher Haſt, daß er dabei nicht ſelten kopfüber ſtürzt und ebenſo ſchnell wieder oben iſt, wobei er förmlich bettelt, um herausgenommen zu werden. Gerade dieſe Art von Anhänglichkeit bei einer Schildkröte iſt um ſo bezeichnender, als ſie niht dur< Le>ereien anerzogen werden fann, weil ja bekanntlich dieſe Tiere nur unter dem Waſſer zu freſſen vermögen, mithin durchaus kein anderes Anlo>ungsmittel vorhanden ſein kann, als eben das Umgangsbedürfnis mit dem Menſchen, was ſomit für eine ziemlich entwi>elte Seelenthätigkeit dieſer anſcheinend ſo unbehilflihen Tiere \priht. Seitdem die Schildkröten faſt 2 Fahre in unſerem Beſiße ſind, hat nun aber auch eine zweite, bedeutend größere angefangen, dem Rufe nah „Auguſt“ Folge zu leiſten, und ſo kommen denn zwei von ihnen an, ſobald dieſer Ruf ertönt, der jedo<h, von anderen Lippen ausgeſprochen, feine Wirkung auf ſie ausübt.“

Jn den Handel kommt unſer Tier für Liebhaber von Aquarien und Terrarien neuerdings in Maſſen beſonders aus dem Venezianiſchen, wo ein regelre<hter Fang auf ſie betrieben wird.

Das Fleiſ<h der Teichſchildkröte iſt eßbar; der geringe Nuten, den ſie dem Menſchen hierdur< und dur Verzehren von Schne>ken und Regenwürmern bringt, hebt aber den von ihr dur< Raub an nügliher Fiſchbrut verübten Schaden nicht auf.

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In ihrem Sein und Weſen eine Land- ihrer Geſtalt na< eine Waſſerſchildkröte, ſtellt die wohlbekannte nordamerifaniſhe Doſenſchildkröte ein Verbindungsglied der auf feſtem Lande und im Waſſer lebenden Arten dar und verdient auch aus dieſem Grunde beſondere Beachtung. Die Kennzeichen der von ihr vertretenen Gattung Cistudo ſind: ſtark gewölbter Rückenpanzer mit Nackenplatte und doppelten Schwanzplatten, eirunder, aus zwölf Platten gebildeter Bauchpanzer, der aus zwei beweglichen Stücken beſteht und ſo groß iſt, daß die beiden Teile vorn und hinten dicht an den Rückenſchild’ angezogen werden können, ſehr verkümmerte Achſel- und Weichenplatten, die au< gänzlih fehlen können, kurzer Schwanz und ziemlih lange, vorn fünf-, hinten vier- oder dreizehige Füße mit ſehr ſ<hwachen, ja fehlenden Shwimmhäuten. Der Kopf iſt mit glatter Haut bekleidet; die Vorderſüße ſind mit größeren Schuppen bede>t. Von den Pfuhlſchildkröten, denen ſie im Gerippe naheſtehen, trennen ſie ſi< dur< den Mangel eines fnöchernen Sthläfenbogens und dur den ſtets hakig überhangenden Hornſhnabel des Oberkiefers. Beide Arten, von denen die bekanntere in vier anſcheinend wenig veränderlichen Spielarten auftritt, leben in Nordamerika.

Die Doſenſchildkröte (Cistudo carolina, Testudo carolina, carinata, yirgulata und clausa, Emys clausa, virgulata und schneideri, Cistudo clauga und yirginia, Terrapene carolina, maculata, carinata und clausa, Onychotria mexicana) trägt auf dem Rückenpanzer einen ſtumpfen Mittelkiel und we<ſelt in Bau, Färbung und Zeichnung vielfa<h ab. Jn der Regel iſt die Färbung ihrer Oberſeite ein ſ{<önes Braun oder Braunſchwarz; die Zeichnung beſteht aus gelben, unregelmäßigen Fle>en und Streifen; oft findet ſih bei braunſhwarzen Fndividuen auf jeder Seitenplatte ein ſcharf gezeihnetes, ſ<óön goldgelbes E; die Schilde des Bruſtpanzers ſind auf gelbem Grunde braun geadert. Die Panzerlänge beträgt 13, bei einigen Spielarten 17, die Breite gewöhnlih 11—12 cm. Der länglich eirunde Kopf zeigt ſcharfe ungezähnelte Kiefer und iſt wie die Vorder- und Hinterſüße braun und gelb gefle>t. Das Männchen beſißt rote, das Weibchen braune oder graue Regenbogenhaut.