Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

592 Dritte Ordnung: Schildkröten; fünſte Familie: Landſchildkröten.

Laute von ihnen vernimmt. Jm Mai oder Juni bereits legen ſie ihre 8$—15 kugeligen, hartſchaligen, weißen, einer kleinen Nuß an Größe gleihkommenden Eier. „Zur Brutſtelle erwählen ſie einen mögli{ſt ſonnigen Ort, ſcharren mit den Hinterbeinen eine Grube aus, legen die Eier hinein, bede>en ſie ſorgfältig mit Erde und vertrauen die weitere Sorge für ihre Nachkommen dem großen Lichte der Welt. Beim Eintritte der erſten Septemberregen erſcheinen die jungen Schildkröten, in der Größe einer halben Walnußſchale gleihend: die artigſten Dingerhen von der Welt.“ Wenn man ihnen volle Freiheit läßt, benehmen ſie ſih ſelbſt in ſehr nördlichen Ländern ganz wie zu Hauſe, pflanzen ſi au< fort oder begatten ſi< wenigſtens. So ſand, laut Sundevall, ein Arbeiter in der Gegend von Kalmar im ſüdöſtlihen Schweden zwei der Gefangenſchaft entkommene Schildfröten dieſer Art, die in Begattung begriffen waren. Jn einem gleihmäßig und ſtar? geheizten Zimmer fallen ſie niht in Winterſchlaf, leben dann aber, nah JF. von Fiſchers Erfahrungen, nicht ſo lange, wie wenn man ihnen allwinterlih Ruhe gönnt.

Gefangene, die längere Zeit einer Kälte unter Null ausgeſeßt werden, gehen bald zu Grunde, ſo unempfindlich ſie ſi< im übrigen zeigen. Ohne Schaden können ſie faſt ein Fahr lang faſten und Verwundungen der fürhterlihſten Art mit einer uns unbegreiflichen Gleichgültigkeit ertragen. Nimmt man ihnen das bohnengroße Gehirn heraus, ſo laufen ſie noh 6 Monate umher; ſchneidet man ihnen den Kopf ab, ſo bewegt ſi<h das Herz no< 14 Tage lang, und der abgeſchnittene Kopf beißt no< na< einer halben Stunde. Lippi hat verſchiedene hierauf bezügliche Verſuche angeſtellt und Orioli darüber berichtet.

Daß ein Tier, bei welchem das Hirn eine ſo untergeordnete Nolle ſpielt, ſi< nicht dur höhere Begabung auszeihnen kann, verſteht ſih von ſelbſt. Cin gewiſſes Verſtändnis kann man ihm jedo< troßdem niht abſprehen. Alle Tierfreunde, die längere Zeit Landſchildkröten in Gefangenſchaft hielten, verſichern, daß ſie ſich na< und nach an den Pfleger gewöhnen, und ebenſo geht aus den Beobahhtungen Dumérils hervor, daß unſere Schildkröten ſi auch zeitweilig aufregen laſſen. „Wir haben“, ſagt dieſer Forſcher, „einigemal zwei Männhhen ſi< um den Beſiß eines Weibchens mit unglaublicher Hartnäcigkeit ſtreiten ſehen. Sie biſſen ſih gegenſeitig in den Hals, verſuchten ſih umzuſtürzen, und der Streit endete niht eher, als bis einer der beiden Streiter beſiegt und kampfunfähig gemacht worden war.“ Man hat beobachtet, daß die Begattung der unbehilflichen Tiere erſt nah vielen vergeblihen Verſuchen zu ſtande kommt.

Fn Sicilien und in Ftalien überhaupt bringt man dieſe Landſchildkröten regelmäßig auf den Markt, weil das Fleiſch überall gegeſſen und insbeſondere die aus ihm bereitete Suppe geſchäßt wird.

Eine weitere Landſchildkröte, die Mauriſhe Schildkröte (Testudo ibera, pusilla, ecaudata, mauritanica und whitei, Peltastes mauritanicus), wollen wir nur deShalb hier no< furz erwähnen, weil ſie die Griechiſhe Schildkröte in Nordweſtafrika, einem Teile von Syrien, in Kleinaſien, Transkaukaſien und Perſien erſet und ebenfalls fehr häufig lebend zu uns gebra<ht wird. Sie hat eine Schildlänge von 23 em, es fehlt ihr die tiefe Längsfurche auf der Mitte der Shwanzplatte, und die Hinterſeite ihres Dberſchenkels trägt einen großen, kegelförmigen Hornhö>er. Bei alten Tieren iſt der hintere Lappen des Bauchpanzers um eine querliegende Achſe beweglih, eine Cigentümlichkeit, die namentlich dem eierlegenden Weibchen zu gute kommt. JFhre Lebensweiſe weiht nicht weſentlich von der der vorigen Art ab. Auch ſie frißt Regenwürmer neben Pflanzenkoſt. Jn Kleinaſien ſoll man ſie in der Art fangen, daß man Hunde abrichtet, die ſie aufſpüren, vor ihnen ſtehen bleiben und bellen, bis der Fänger zur Stelle kommt.