Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Horsfieldſhe Schildkröte. — Meerſchildkröten: Allgemeines. 595

Durch die zu Floſſen umgeſtalteten Beine, deren vordere die hinteren an Länge bedeutend übertreffen, und dur< den mit hornigen Platten gede>ten Panzer unterſcheiden ſih die Meerſchhildkröten (Chelonidae) von ihren Ordnungsverwandten. Jeder ihrer Füße bildet eine lange, breitgedrüdte Floſſe, die, wie Wagler hervorhebt, mit denen der Robben große Ähnkichkeit hat; die Zehen werden von einer gemeinſchaftlihen Haut überzogen und dadur< unbeweglich, verlieren au< größtenteils die Nägel, da nur die erſte oder die beiden erſten Zehen jedes Fußes ſpißige Klauen tragen. Außerdem kennzeichnen ſih die Meerſchildkröten dur den herzförmigen, vorn rundlich ausgerandeten, hinten zuge: ſpibten, flah gewölbten, gegen das Ende der Nippen unvollkommen verknöcherten Nückenpanzer, in welchen Hals und Kopf unvollſtändig, die Gliedmaßen niht zurügezogen werden können, die Bildung des Bauchpanzers, deſſen einzelne Stücke keinen zuſammenſtoßenden Schild herſtellen, ſondern dur< Knorpel verbunden werden, die Art der Beſchuppung oder Beſchildung, den kurzen, di>en, runzeligen Hals, den kurzen, ſtarken, vierſeitigen Kopf und die na>ten, mit ſcharfen, zuweilen am Rande gezähnelten Hornſcheiden bede>ten Kiefer, die ſih an der Spige hakenförmig überbiegen und ſo ineinander paſſen, daß der obere den unteren vollſtändig in ſi< aufnimmt, die großen vorſpringenden Augen und die ſehr kleinen Naſenlöcher, die eigentümliche Beſchildung des Kopfes und der Füße und den kurzen, ſtumpfen, mit Schuppen bekleideten Schwanz. Die Zehenglieder beſitzen eine Gelenfkföpfe.

Die vier zu dieſer Gruppe zählenden Schildkrötenarten, die man in zwei Gattungen verteilt hat, leben im Meere, zuweilen Hunderte von Seemeilen entfernt von der Küſte, ſ<wimmen und tauchen vorzüglich und begeben ſih nur, um ihre zahlreichen, weihſchaligen Eier abzulegen, auf das Land. Alle Arten, mit Ausnahme einer einzigen pflanzenfreſſenden, nähren ſih von Krebſen, Schne>en, Muſcheln und anderen niederen Seetieren. Inwiefern ſich die Lebensweiſe der einzelnen Arten unterſcheidet, iſt \{<wer zu ſagen, weil man eingehende Beobachtungen über alle Seeſchildkröten eigentlih nur während ihrer Fortpflanzungszeit oder, richtiger, während des Eierlegens angeſtellt hat, von ihrem Leben im Meere aber niht viel mehr weiß, als bereits die Alten wußten. An Berichten über ihr Weſen und Gebaren, Thun und Treiben fehlt es freilich niht; es fragt ſi< aber, wieviel von dieſen Mitteilungen auf gewiſſenhafter Beobachtung und wieviel auf Einbildung oder gläubigem Nacherzählen unwahrer Angaben beruht. Gewährsmännern wie dem Prinzen von Wied, Audubon, Holbrook, S. Garcman und Sir Emerſon Tennent dürfen wir wohl unbedingt vertrauen; die Wahrheit oder Unwahrheit der Berichte anderer zu prüfen, ſind wir no< niht im ſtande. I< will verſuchen, nah allen mix bekannten Quellen Lebensbilder der wichtigſten Arten zuſammenzuſtellen, ſo gut ih dies bei den für mi verfügbaren Mitteln vermag. .

Der Kopf der Pattſchildkröten (Chelone) ift pyramidenförmig und an den Seiten ſteil abfallend, und die Vorderglieder ſind faſt doppelt ſo lang, aber weit ſ{<mäler als die hinteren. Der Rüenpanzer beſteht aus 13 Scheibenplatten, von denen die erſte der je 4 Seitenplatten größer als die anderen iſt, und 25 Nandplatten, der Bauchpanzer, da die Zwiſchenkehlplatte gut entwielt iſt, ebenfalls aus 13 Platten, zu welchen noh jederſeits 4—5 ziemli< große und kleinere Unterrand- oder Bruſtrippenplatten kommen. 10— 12 regelmäßige Schilde de>en die obere wagerechte Fläche des Kopfes, vielſeitige Schilde ſehr verſchiedener Größe die Beine, mit Ausnahme der Schultergegend und des oberen Teiles der Schenkel, ähnliche endlich die Mitte und das Ende des kurzen Schwanzes.

Nach den eingehenden Unterſuchungen Strauchs zählt dieſe Gattung niht mehr als zwei, vielfa<h abändernde Arten: die Suppenſchildkröte und die Biſſa nämlich.

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