Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

Spöke: Verbreitung. Nahrung. Fortpflanzung. 477

bedeutender Mannigfaltigkeit der Bildung: Newberry glaubt aber die Reſte eines Vorläufers gefunden zu haben, die ſchon in der devoniſhen Formation vorkommen. Jn unſeren Tagen ſind ſie, wie bemerkt, auf die Mitglieder zweier Gattungen beſchränkt, über deren Lebensweiſe uns das Nachſtehende einigen Aufſ<hluß gibt.

Die erſte Gattung der einzigen Familie unſerer Unterordnung, die man im beſonderen unter dem Namen der Seekaßen (Chimaeridae) begreift, wird vertreten dur die Spöke, auh Seeratte und Königsfiſch genannt (Chimaera monstrosa, argentea, cristata, borealis und mediterranea, Callorhynchus atlanticus und ccntrina), einen Fiſch von 1—1,»s m Länge und eigentümlicher Schönheit. Der Körper iſt langgeſtre>t und endet in einen fadenförmig ausgezogenen Schwanz, der zu dem Namen „Seeratte“ Veranlaſſung gegeben hat. Die Schnauze tritt kegelförmig vor; die hintere Rü>enfloſſe iſt ſehr lang und kaum oder niht von der ebenfalls geſtre>ten Schwanzfloſſe getrennt. Bei den Männchen erhebt ſi< zwiſchen den Augen ein dünner, knochiger, vorwärts geneigter Auswu<83, wegen deſſen die Norweger die Spöke „Königsfiſh“ benennen. Die Färbung der glatt erſcheinenden Haut ſpielt in den verſchiedenſten Schattierungen von Goldgelb Braun und Weiß; die Regenbogenhaut der großen Augen iſ weiß, der Stern grün.

Gesner war der erſte Naturforſcher, der die Spöke beſchrieb und eine, wenn auh keineswegs gute, ſo doh niht zu verkennende Abbildung lieferte. Linné gab ihr den wiſſenſchaftlihen Namen. Sie iſt allenthalben an den Küſten Europas, aber auh in den japaniſchen Gewäſſern und an der Südſpize Afrikas gefunden worden, ſoll die Tiefen ſelten verlaſſen, jedo<h mit den Heringen aufſteigen und dann zuweilen gefangen werden. Die Nahrung beſteht aus Muſcheln, Krebſen und kleinen Fiſchen der tiefen Gründe. Die Fortpflanzung geſchieht durch Eier, von denen die Eierſtö>e des Weibchens zur Zeit der Fortpflanzung eine erheblihe Anzahl in verſchiedenen Zuſtänden der Entwickelung enthalten; die am meiſten aus8gebildeten ſind mit einer hornigen Schale umgeben. Das Fleiſch iſt zäh und ungenießbar, die Eier hingegen gelten als Le>erbiſſen. Jn Norwegen wird mehr als alles andere die Leber geſchäßt. „Wenn ſie“, ſagt Pontoppidan, „in einem Glaſe auf eine warme Stelle geſeßt wird, ſo zerfließt ſie von ſelbſt nah und nah in Öl, da denn dieſe Salbe in allerhand Wunden und Schäden ſo vortrefflih iſt, daß ein wohlerfahrener Apotheker mir geſagt hat, er ließe alle ſeine Medikamente ſtehen und ergriffe dieſes Mittel, wenn er ſelbſt einen oder den anderen äußerlichen Schaden hätte.“

Eine zweite europäiſche Art der Gattung (Chimaera affinis) iſt von der Küſte Portugals bekannt; eine dritte und lebte Art (Chimaera collici) kommt an der Weſt: tüſte Nordamerikas vor.

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