Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6
Bau. Fortpflanzung. Einteilung und Verbreitung. 687
Oder aber dieſe Bildungen nehmen allerlei phantaſtiſche Geſtalten an, erſcheinen als Helme, Körbchen, Laternen, Diſtelblüten, Reuſen, entwi>eln ſih plattenartig größtenteils in einer Ebene als durchbrochene vier: oder dreiarmige Kreuze, Scheiben, Schalen, Spangen, Sporen und in hunderterlei anderen Geſtalten, mit welchen wir nichts vergleichen können und die ganz eigenartig ſind. Aber alle dieſe Formen ſind elegant, oft ſelbſt von entzü>ender Schönheit, und Hae>els Radiolarienwerke ſollten in keiner Kunſtgewerkſchule fehlen, denn ſie enthalten einen großen, noh ganz ungehobenen Schaß reizender Motive, ſo zahlreich, mannigfa< und wunderbar, wie ſie keine menſchliche Phantaſie erdenken kann.“
Die beigegebene Tafel „Radiolarien“ mag von dieſem Formenreihtum der Strahlinge eine ſhwache Vorſtellung geben. Wie zierlih iſt das Gitterwerk der Rhizosphaera Ieptomita (Fig. 1); Sphaerozoum Ovodimare (Fig. 2) hat zwar nur ein gering entwideltes, aus Tangentialnadeln beſtehendes Skelett, iſt aber durch ſeine eigentümliche Geſtalt als Kugelneſt bemerkenswert. An chineſiſche Elfenbeinarbeiten erinnert Actinomma drymodes (Fig. 3) mit ſeinen drei ineinander ſte>enden Hohlkugeln. Als Modelle für Shawlnadeln tfönnten TLithomespilus flammabundus (Fig. 4) und Ommatocampe nereides (Fig. 5) dienen. An zierlihe Glökhen und Körbchen erinnern Carpocanium Diadema (Fig. 6), Clathrocyclas Ionis (Fig. 9) und Dictyophimus Tripus (Fig. 10). Eine ete Tiefſeeform iſ Challengeron Willemoesi (Fig. 7), und Heliosphaera inermis (Fig. 8) zeichnet ſih dur< ihr überaus zierlihes, regelmäßiges Gitterſkelett aus.
Die Strahlinge teilt Hae>el in zwei Unterklaſſen und jede von dieſen in zwei Legionen: 1. Unterklaſſe: Porulosa, s.- Holotrypasta, Sentraltapſel rund, von zahlreihen Poren dur<hbohrt; 1. Legion: Spumellaria, Poren der Zentralkapſel unzählbar, allenthalben regellos verteilt, Skelett, wenn vorhanden, niht in die Zentralfapſel dringend; 2. Legion: Acantharia, Poren der Zentralfapſel regelmäßig angeordnet und zählbar, Skelett innerhalb der Zentralkapſel ſtets aus Akanthin beſtehend. IL. Unterklaſſe: Osculosa, s. Monotrypasta, Zentralkapſel niht mehr rund, ſondern verlängert, an einem Pole (Mundpol) die Poren. 1. Legion: Nassellaria, SBentralfapſel einfah, Mundpol von mehreren Poren ſiebartig dur<brochen; 2. Legion: Phaeodaria, Sentralfapſel ſphäriſh mit doppelter Haut, am Mundpol eine Hauptöffnung mit za>igem- Nande; in der Calymma findet ſih ein beſonders entwi>elter Abſchnitt von Schalenform (Phaeodarium), der reih an grünem oder bräunlihhem Pigment iſt und das Mundpolende der Kapſel umfaßt.
Die Strahlinge bewohnen ausſchließli<h das Meer. Sie ſind ſehr artenreih, und Haed>el hat 4318 Arten davon beſchrieben, die ſih auf 739 Gattungen verteilen.
Sie verteilen ſi< im Meere in drei von oben nah unten folgende Negionen. Jn der pelagiſhen Region oder Oberflächenregion leben eigenartige Formen meiſt in größeren Mengen, aber immer ziemli<h weit von den Küſten entfernt. Fn warmen Breiten iſt ihre Artenzahl größer, aber ihre Jndividuenzahl geringer als in kälteren. Auf die Oberflächenregion folgt die zonariale,/ die ihrerſeits wieder in eine Anzahl Unterregionen oder Schichten zerfällt, deren jede ihre eignen charakteriſtiſhen Formen beherbergt. Die meiſten Radiolarien gehören indeſſen der bathybiſchen Region, der Tiefſee, an. Von hier, aus Tiefen von 3600—7400 m, und zwar aus dem zentralen Teil des Stillen Ozeans, ſtammt über die Hälfte der von Haeckel beſchriebenen Arten. Die Osculosa gehören mehr der Tiefſee, die Porulosa mehr der Oberfläche an.
Die Kieſelſtelette der Radiolarien fehlen zwar in keiner Meeresablagerung völlig, aber in denen der Tiefſee treten ſie in überwiegender Menge auf. So beſtehen die Ablagerungen auf dem Boden des Stillen Dzeans zwiſchen 3000 und 8000 m zu 80 Prozent, ja ſtellenweiſe ganz aus den Schalen abgeſtorbener Radiolarien, und dieſe Ablagerung hat hierna<h den Namen des Radiolarienſ<li>s erhalten.