Charakterologie

254 Die Erblehre des Charafters

jein möchte. Da es aber fraglich ijt, was wir aus unjerem Leben machen, jo hat es die Natur vorgezogen, die Keimzellein uns unberührt von unjerer indi= viduellen Ausgeitaltung zu halten, und fie jo zur Mijchung mit der (ebenjo erhaltenen) mütterlihen Eizelle weiterzugeben, wie der Großvater die jeinige damals weitergab. — Das aljo ijt die zweite Moödififation: die vereinigten Keimzellen find nicht der Dater und die Mutter, wie lie fich bis zur Zeugung des Kindes entwidelt, ausgeprägt haben, fondern lie find die Anlagenbeftände, aus denen aud) jieibr Leben erjt aufgebaut haben.

Do in jheinbatem Gegenjat dazu in der Natur zu beobachten ijt, daß gewilfe Bejonderheiten, die ih im individuellen Leben erjt ausprägen, doc auf das Kind übergehen, — da handelt es fich nad} forgfältigen Sorihungen doc nicht um eine Dererbung von individuell Erworbenem, jondern um Entwidlungsphajen, die die Keimzelle jelbit in ihrem langen Leben durch die Generationen durchmacht. Das heißt, wir haben uns das Leben der Keimzelle nicht als ein völlig gleihmähig verlaufendes vorzuftellen, jondern auch) als ein Leben mit Entwidlung und Änderung. Aber es find Entwidlungen, die aus der Keimzelle jelbjt hervorgehen, nicht Einwirkungen von der individuellen Entwidlung der Träger der Keimzellen (aljo der jeweiligen Eltern) auf fie jelbjt. Man nennt jolhe änderungen der Keimzellen jelbjt „Mutationen“. Wo wir 3.B. bei Pflanzen von einer Generation an etwas gänzlich Neues entitehen jehen, das ji dann vererbt, hat ji) nad) allen Nadhforjhhungen immer gezeigt, da es fih um Muta= tionen, nit um Rüdwirfungen vom individuellen Leben auf die Keimzellen handelt.

Dieje beiden Modifitationen lajjen jchon zur Genüge deutlich werden, dab das Kind in vieler Hinficht etwas Neues ijt. Denn wenn aud) feinerlei neue Dinge von außen hinzufommen, jo find doch die beiden Saktoren, aus denen die indiviöuelle Cebensgeitalt ji) bildet, neu. Die Lebenseinheit, das ihhafte Zentrum, ijt eine neue Ganzheit, und jie geitaltet nicht den Dater und die Mutter fort, jondern greift zurüd auf die Anlagenbejtände. Sie fannı mithin andere Anlagen afzentuieren, findet ja auch vor allem die vereinigten Anlagebejtände beider Eltern vor, die durch die mannigfachen Kombinationen aud als Anlagebeitände jchon wieder etwas Neues darjtellen und nicht einfach gleich der Summe der väterlichen und mütterlihen Anlagen anzujehen jind.

Obendrein nun fommt eine dritte Modifitation hinzu. Es ijt nicht anzu= nehmen, dab die Keimzellen in jedem Augenblid in gleihem Zujtande find. (Wir wijjen 3. B., daß Altoholgenuk jie außerordentlich jhädigen Tann.) So modifiziert fich aljo auch hierdurch nochmals die Ausgangstheje, daß wir Dater und Mutter einfach jind. Anlagen find außerdem etwas, das per definitionem gleichjam jehr „flüjjig” gedacht werden muß,