Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

Die Wenduns zum Idealismus in den Pariser Quaestionen

1.Die Trennung desErkennens vom Sein.

Die früheste uns erhaltene theoretisch-spekulative Schrift Meister Eckharts, die Pariser Quaestio aus den Jahren 1502-1504, zusammen mit den von Gonsalvus de Vallebona zitierten rationes Ecardi. bezeichnen sogleich einen radikalen Bruch mit der traditionellen Scholastik. Es vollzieht sich hier eine Revolution der Denkungsart, ein konsequenter Schritt von der Ontologie zum Idealismus, der zwar noch im sprachlichen Ausdruck und in gewissen Grenzen auch gedanklich — das läßt sich bei der Kürze der Texte nicht sicher entscheiden — in der alten Ursachenmetaphysik verhaftet ist, der jedoch in seinem Problemansatz eindeutig idealistisch-logischen Charakters ist.

Edchart stellt die Frage nach dem Verhältnis von Erkennen und Sein. Werfen wir vorerst einen kurzen Blick auf die Lösung dieses Problems bei Thomas von Aquin. Dieser unterscheidet

1. das Sein Gottes als das subsistente von dem Sein der Kreatur (S. Th. 1, 7, 2 ad 1: Esse subsistens non est esse creatum).

2, das Erkennen Gottes vom Erkennen der Kreatur. Das Erkennen Gottes ist die Ursache des Seins der Dinge. Unser Erkennen dagegen wird von den Dingen beursacht: S. Th. I, 14, 8: scientia Dei est causa rerum;

5, die Wahrheit Gottes, die Wahrheit des kreatürlichen Erkennens und die Wahrheit der Dinge. Die Wahrheit ist per prius im göttlichen Intellekt; sofern die Dinge sich ihren Ähnlichkeitsbildern im göttlichen Intellekt angleichen und ihnen folgen, kommt auch ihnen das Prädikat des verum zu: S. Th. I, 16, ic: res naturales discuntur esse verae secundum quod assequuntur similitudinem specierum quae sunt in mente divina. Das Sein der Dinge, nicht ihre Wahrheit, ist dann die Ursache der Wahrheit im kreatürlichen Intellekt (S. Th. I, 16, 1 ad 5). Kraft der analogia entis zwingt Thomas die Mannigfaltigkeit der Bedeutungen im Wahrheitsbegriff zu einer Einheit zusammen, obwohl in multis intelleetibus ereatis sunt multa veritates et in uno et eodem intellectu secundum plura cognita (I, 16, 6). Man kann doch sagen, quod quodammodo una est veritas, qua omnia sunt vera, weil die Wahrheit gemäß dem Analogiebegriff per prius im göttlichen Intellekt ist, wenngleich sie in der erwähnten Weise auch quodammodo non una ist.

15