Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

- Sonette aus Flandern. (1914—15.)

1.

im Hause‘ des Herrn Anton Wiertz zu Brüssel Siehst Du ein Bild, auf welchem Amoretten Umwinden schlank mit Wiesenblumenketten Der letzten Mordkanone Feuerrüssel. —

Dies Gleichniß, lieber Leser, sei dir Schlüssel Zu diesem Büchlein seltsamer Sonetten,

Das sie im alten Rom benamset hätten Satura lanx! Zu Deutsch: gemischte Schüssel!

So wie Sanct Anton auf dem Roste sang,

Womit er seines Herzens Angst bezwang,

Wie Schmetterlinge gaukeln um Schaffotten Umgaukelten die Lieder Papillotten

Den Schreckenssommer Neunzehnhundertvierzehn

Gleich wie die Putten auf dem Bild von Wiertzen.

2

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Frühling in Flandern! — Am verlornen Ort Erglänzt der Knochenberg im Sonnenscheine Und Kinder holen keck sich die Gebeine, Vom Regen bleich, von Sonnenglut gedorrt. Sie schleppen Schädel und Gerippe fort Und spielen Kegel vor der alten Scheune Und iauchzen, wenn sie treffen alle neune

‘s sind Engelbübchen vor der Himmelspiort.

Der erste der war Bäcker aus Stettin,

Der zweite der war Schneider aus Berlin Sind brave runde Schädel alle zwei

Der dritte aber kugelt stets vorbei,

Ein unbrauchbarer, undankbarer Tropf ..... Was seh ich? Gott! Es ist mein eigner Kopf!

3

Gedenkst Du noch des Abends von Namur? Wir schwärmten beide sehr pour la nature Die Citadelle schwamm in Abendröten

Ein Vogel sang und Du zitirtest Goethen .... © Kind, wie schnelle geht die Jugend flöten! © Herz, wie mochtest Du die Liebe töten? Dort hängt ja noch die gothsche Kirchentüre Du trittst herein, bewundernd les figures....

Nur Hausskelette, graue Aschenroste, Zerschossne Schlote, Mauern, Häuserpfioste Ein bleicher Mond zur melancholschen Szene, Nur auf dem Baum, wo Du zitirtest Goethen, Tut immer noch der kleine Vogel flöten, Man weiß nicht, singt er Bosheit oder Träne.

4. In einem Dörichen hinter Waterloo Stand eine Blöde, hundert Jahre traun, Wie eine Mutter Velleda zu schaun, Indeß das Dörfchen brannte lichterloh.

„O warum steht der Tempel nicht am Flusse, ‘© warum ist die Briicke nichf gebaut?“

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