Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit
Ochsenblut in ungeheuren Massen als Volksnahrungsmittel verbraucht. Der Aufruf der Stadt, welcher den Massen empiahl, sich dieses Volkskräftigungsmittels ileißig zu bedienen, begann mit Goethes Wort: ‚Blut ist ein ganz besonderer Saft‘ und endete mit dem bekannten Satze: ‚Am deutschen Wesen soll die Welt genesen‘ .. .. Gegenwärtig (1921) hat der führende englische Staatsmann David Lioyd George auf dem Kongreß zu Genua das erlösende Wort gesprochen: ‚Der Weltkrieg war ein Geschäft, das sich für niemanden bezahlt machte. Ja wahrhaftig! Aber immerhin: einige Kreise gibt es, für welche _ auch dieses Kulturgeschäft ‚sich bezahlt gemacht hat‘. Zum Beispiel für jene amerikanische Aktiengesellschaft, die während des Krieges auf den Kerguelen eine Betriebsstelle errichtete zur Jagd auf Seeelefanten. Es wurden die letzten hunderttausend der unglücklichen Tiere erschlagen. Man gewann so viel Tran, daß man alle Märkte der Erde hätte versorgen können. Da kam zum Glück eine große Hungersnot. Um ein möglichst großes Geschäft zu machen, schüttete man kurz entschlossen neun Zehntel der Vorräte ins Meer. Den Rest brachte man auf den Markt; dank der Hungersnot mit tausendzinslichem Nutzen.
So speichert denn überall die Kultur weit mehr auf als sie zebrauchen und vertragen kann. Die Ernährungswissenschaft hat ausgerechnet, daß von den unausgenutzten Eiweißkörpern und Kohlenwasserstoifen, welche in einem einzigen Londoner oder Pariser Schlemmergasthoi unnötig durch überernährte Leiber gejagt werden, Hunderte zu leben vermöchten, die vor den Fenstern der Verschwenderwirtschaft sterbend und verderbend im Froste stehn.
Solche Tatsachen beleuchten wie mit Blitzlicht den ganzen Unsinn einer Erdverwirtschafitung, welche klüger sein will als die Gottnatur selber.
In den Jahren 1919—-1921 war in Deutschland eine große Sterblichkeit der kleinen Kinder, weil keine Milchkühe da waren; diese hatte das Land nach dem Vertrage von Versailles an Frankreich ausliefern müssen. Um dieselbe Zeit aber hat man in Argentinien tausende von Rinderheerden zu Büchsenfleisch verarbeitet, und da man es nicht bei der allgemeinen Preissteigerung verkaufen konnte, machte man, damit doch nicht alles ungenützt umkomme, daraus Seife.
Während des letzten Winters (1922) sind in Rußland Zehntausende, Männer, Frauen und Kinder mangels Kleidung elend