Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

B. Napoleons Niederlage. 67

und fröhlichen Ausflügen faſt erdrü>t wurde, gehörte nah Wien und die Wiener gehörten zum Kongreſſe.

Jm September 1814 begann der Zuſtrom der Teilnehmer. Kaiſer Franz konnte eine ſtattliche Zahl von gekrönten Häuptern begrüßen : den Zaren Alexander I., den König Friedrih Wilhelm ITT. von Preußen, die Könige von Bayern, Württemberg und Dänemark, ſowie die Herrſcher von kleinen Ländern. Die erſten Staat3männer Europas gaben ſich glei<hfalls Rendezvous; um den Fürſten Met=ternich, der zum Mittelpunkte des Kongreſſes wurde, ſcharten ſich der ſhwerhörige aber trozdem rührige Staatsfanzler Hardenberg, dem der geiſtreiche, vielwiſſende Wilhelm von Humboldt zur Seite ſtand, Lord Caſtlereagh und der gefeierte Held von Spanien, der Herzog von Wellington, Neſſelrode und der charakterloſe ehemalige Biſchof Talleyrand, der zur Zeit der Revolution ein Revolutionär, in den Tagen des Empire ein Bonapartiſt — freilich voll Tücke und nun, da die Bourbonen wieder den Thron beſtiegen hatten, ein Verfechter des Legitimitätsprinzips war. Der gewandte, aal=glatte franzöſiſche Staatsmann gewann ſtarken Einfluß auf den Gang der Geſchäfte und nahm ſich dreiſt an Rechten mehr heraus, als auf ſeinen Teil kam. Jm ganzen gab es in Wien 90 Bevollmächtigte der am Krieg beteiligt geweſenen Mächte und 53 nichtgeladene Vertreter, die verſchiedene Forderungen zur Geltung bringen wollten 1).

Nach außen hin haben Männer die große Politik des Kongreſſes gemacht. Jm ſtillen jedoch ſpannen zarte Damenhände feine Netze, in denen ſich die Herren der Schöpfung gerne verfingen. Neben den offiziellen Diplomaten traten ſhöne Di plomatinnen eifrig auf; lächelnd beherrſchten ſie die Salons, lächelnd die Politik. Die galante Fürſtin Bagration, die anmutsvolle Herzogin von Sagan, die Gräfin Bernſtorff, Lady Caſtlereagh, die Großfürſtin Katharina, Alexanders Lieblingsſchweſter, und dann die Gräfin Zichy, die Fürſtin Eſterhazy, die Lanckoronsfkas und Czartorysfas: ſie alle und noch viele mehr vervollſtändigten den Kongreß und gaben ihm das eigentliche Gepräge.

Der Beginn der Arbeit verzögerte ſich ſehr. Schon die Feſtſezung des 8. Oftober als Eröffnungstag bedeutete ein Hinausſchieben, und ſelbſt dieſer Termin wurde nicht eingehalten. Die „Wiener Zei tung“ vertröſtete ſ{<ließli< auf den 1. November 1814. Plenarbera-

1) Wilhelm On>en. Das Zeitalter der Revolution, des Kaiſerreihs und der Befretungskriege. 2. Band.

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