Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

316 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.

reiben zu laſſen, die Ueberreſte auf der Straße von Brüſſel vor ſi her-= zutreiben und ſich dieſer Hauptſtadt zu bemächtigen. D’'Erlon und Reille waren in ſeiner Nähe. An Grouchy hatte er bereits die Ordre geſchi>t, die Preußen zu beoba<ten und an dem Marſch auf Waterloo zu hindern, zugleich aber ſo zu manövriren, daß er ſi der Hauptarmee näherte.

Die Schlacht begann mit einem heftigen Angriff dex Franzoſen auf das Schloß Hougoumont, das von den Engländern ſtark beſet und von zahlreichen Batterien gede>t war. Aus allen Fenſtern des Gebäudes, aus den Büſchen und He>en feuerten die engliſchen Scharfſchütßen auf die ungede>t heranrüdenden Franzoſen, deren Reihen zuglei<h von der engliſchen Artillerie gelihtet wurden , während die Engländer, die Vortheile des Texrains benutend,, wenig litten. Siebenmal drangen die Franzoſen in die inneren Höfe des Schloſſes , ſiebenmal wurden ſie von den Eng= ländern wieder vertrieben. Die Gebäude wurden endli<h in Brand ge= ſchoſſen. Das Feuer trennte die Kämpfenden, deren Verwundete von den Flammen verzehrt oder vom Rauche erſti>t wurden. Tauſende kamen auf dieſem Punkte um.

Durch dieſen Angriff auf Hougoumont hatte indeſſen Napoleon nur Wellington's Aufmerkſamkeit von ſeinem eigentlichen Ziele , der Er= ſtürmung des Mont St. Jean, ablenken wollen. Ney wurde mit der Ausführung beauftragt. „Wohlan, Herr Marſchall,“ ſagte Napoleon ¿u dieſem, indem er ihm das Plateau und das engliſche Centrum zeigte, „dies iſt ein Tag und eine Unternehmung Ihrer würdig. An Zhnen iſt es, die Shlacht zu gewinnen.“ — Der Kaiſer hatte, um das Ganze zu leiten und zu überſehen, ſeine Stellung nicht bei einer einzelnen Abthei= [ung ſeiner Truppen, ſondern auf einem kleinen Hügel, nux einige Schritte von dem Vorwerk La belle Alliance entfernt, genommen.

Indem ſi< Ney zum Angriff auf den Mont St. Jean anſchite, gewahrte Napoleon von ſeinem erhöhten Standpunkte aus, vermöge ſeiner Ferngläſer , am Horizont, in der Nichtung der Engpäſſe von St. Lambert, einen dunfeln Punkt, in welchem Soult und andere Generale eine Abtheilung von Grouchy's Truppen erkennen wollten, der am Morgen den Befehl erhalten hatte, 7 bis 8000 Mann raſh zur Hauptarmee abzuſenden. Der Kaiſer, von einem traurigen Vorgefühl befallen, ward unruhig, und ſchien mit dieſer Erklärung niht zufrieden zu fein. Bald darauf wurde das Räthſel dur< einen preußiſhen Gefangenen gelöſt. Dieſer erklärte, jener dunkle Punkt ſei ein Korps von 30,000 Preufen unter Bülow, das den Engländern zu Hülfe komme, und dem Blücher mit ſeiner ganzen Macht folge. Das preußiſche Heer habe die letzte Nacht