Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794
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Das iſ mehr als lächerlich ; das heißt der Wahrheit ins Geſicht ſ{hlagen und dem geſunden Menſchenverſtande den Hals umdrehen !
Die innere Umwandlung Robespierre's aus einem Demokraten in einen tyranniſhen Prätendenten datirt aus der Zeit der Verhandlungen des Konvents über den Tod Ludwig's XVI. Als der ſcharſſichtige Marat damals die Ausführungen Robespierre's hörte, neigte er ſich zum Ohre Dubois-Crancé's und flüſterte dieſem zu: „Mit dergléèichen Doktrinen wird man mehr Unheil ſtiften, als alle Tyrannen zuſammen“ (Avec ces doctrines-là on fera plus de mal que tous les tyrans ensembIe). Jeder große Tyraun hat, um ſeine Miſſethaten zu heiligen, eine Religion nöthig. Robespierre war im gleichen Falle. Einestheils brauchte er für das Volk, das er zu Tauſenden mit der Guillotine umbrachte, den Glauben an eine Gottheit und an ein ewiges Leben, anderntheils wollte er ſi< als Hoherprieſter und Religionsſtifter, als Vermittler zwiſchen der Gottheit und dem Volke und ſomit gewiſſermaßen als Herrſcher von Gottes Gnaden bei der Menge einführen.
Am 18. Floreal (18. Mai) hielt er daher im Konvente eine lange Predigt, aus der wir folgende Stellen wiedergeben :
„Wer hat dir denn die Sendung gegeben, dem Volke zu verfünden, daß die Gottheit niht vorhanden iſt, dir, der du di für dieſe tro>ene Lehre ereiferſt, obſchon du dich nie für das Vaterland begeiſterſt ? Welchen Vortheil findeſt du dabei, wenn du dem Menſchen einredeſt, daß über ſeine Geſchie eine blinde Kraft waltet, die aufs Geradewohl das Laſter und die Tugend \{<lägt, und daß ſeine Seele nur ein leiter, an den Pforten des Grabes erlöſchender Hauch iſt? Wird ihm die Vorſtellung von ſeinem Nichts reinere und erhabenere Gefühle, als die Vorſtellung von ſeiner Unſterblichkeit einflößen? Wird ſie ihm mehr Reſpekt vor ſeines Gleichen und vor ſi ſelbſt, mehr Hingabe an das Vaterland, mehr Kühnheit, um den Tyrannen zu troßen, mehr Todesund Wolluſt-Verachtung einflößen ? Jhr, die ihr um einen tugendhaften Freund trauert, gebt eu< gern dem Gedanken hin, daß der ſchönſte Theil ſeines Jh dem Verſcheiden entgangen iſt. Wenn ihr am Sarge eines Sohnes oder einer Gattin weint, fühlt ihr eu< da getröſtet, wenn euh geſagt wird, daß von ihnen nux noch ein elender Staub übrig iſt ? Unglückliche, die ihr unter den Stichen eines Meuchelmörders endet, euer lehter Seufzer iſ ein Anrufen der ewigen Gerechtigkeit! Die Unſchuld auf dem Schaffotte läßt den Tyrannen auf ſeinem Triumphwagen erblaſſen: würde ſie dieſe Kraft beſigen, wenn das Grab den Unterdrücker und Unterdrü>ten glei<h machte? ... Ei, was kümmern euch Geſetzgeber die verſchiedenen Hypotheſen, dur< welche gewiſſe Philofophen die Erſcheinungen der Natur erklären? .…. Jn den Augen des Geſeßgebers iſ Alles Wahrheit, was in der Welt nügli<h und in Der Praxis gut iſt. Die Vorſtellung von einem höchſten Weſen und von der Unſterblichkeit der Seele iſ eine fortwährende Mahnung zur Gerechtigkeit; folglich if fie ſozial und republikaniſh. . . . Die Freiheit der Gottesverehrung ſei reſpektirt zum Triumphe der Vernunft ſelbſt ;