Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

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gétrenntheit und Sonderſtellung heraus auf die Höhe des moderne Staatsbegriffs erhoben worden. An die Stelle des privilegirten Bour=geois trat jeßt der gleihberehtigte Staatsbürger, jener freie Bürger des Rechtsſtaats, welcher citoyen genannt wurde. Die Geſinnungstüchtigfeit oder der Rechtsſinn dieſes citoyen hieß Staatsbürgertugend (civisme). Alle citoyens zuſammen machten den Souverän oder die Nation aus, gegen die allein Hochverrath oder Majeſtäts-Verbrechen (le erime de lèsemajesté) begangen werden fonnte. „Jeder citoyen“, ſagt Jean Paul Marat in ſeinem Schriſtchen : Plan de constitution (Paris 1789, 89), „jeder citoyen ſoll Stimmrecht haben, und zwar gibt ihm dieß {on allein die Geburt.“ *) '

Während aber die Generalſtände des Reiches zur National-Verſammlung zuſammenwuchſen, ſuchten die großen Städte innerhalb ihres Bereichs auh wieder eine auf Wahl beruhende ſtädtiſche Vertretung herzuſtellen. Wix haben oben am Ende der Einleitung der zu dieſem Zwe>e niedergeſeßten Komitees gedaht. Paris, die größte Stadt des Reiches, bra<h den übrigen Kommunen die Bahn. Es erhielt hierzu bald die Gelegenheit.

Als nämlich der franzöſiſhe König Ludwig XVI. die Vereinigung der bisher getrennten Stände zur National - Verſammlung niht mehr hindern fonnte, wollte er einen Staatsſtreih machen. Er zog in Eile Militär nah Verſailles und Paris zuſammen, weil dieſe beiden Städte der National-Vexſammlung freundlih geſinnt waren. Dex Saal dex Verſammlung in Verſailles wurde mit Soldaten umringt und dem Publikum der Eintritt in denſelben verwehrt, indeß Paris dux<h mehrere Armee-Korps ſo zernirt wurde, daß es blokirt und belagert werden konnte. Die Verſammlung ſollte aufgelöſt oder in eine Provinzial-Stadt verlegt werden. Auf eine am 9. Fuli 1789 beſchloſſene Adreſſe der Verſammlung, welche wegen dieſes bedrohlichen Militär-Aufgebots Vorſtellungen machte, antwortete der König übermüthig, daß er allein darüber zu urtheilen berechtigt ſei, ob eine Nothwendigkeit vorliege, Truppenbewegungen vorzunehmen, und er machte den Vorſchlag, die Verſammlung nah Noyon oder nah Soiſſons zu verlegen. Zugleich entließ ex am 11, Juli das liberal geſinnte Miniſterium Ne>er und ſeßbte ein reaktionäres Miniſterium ein.

Wegen dieſer königlichen Reaktion brachen am 12, Juli in Paris Unruhen aus. Selbige wurden zwar anfangs durch ein Detachement des Deutſchen Regiments und durch die Dragoner des Fürſten von Lambois nuiedergehalten, allein ſie erneuerten ſich und wurden ernſt, als das franzöſiſche Garde-Regiment fürs Volk Partei ergriff und die übrigen Truppen, die ſih nun zu kämpfen weigerten, zum Rückzuge vermochte. Das Volk zog am Abend nach dem Stadthauſe, indem es verlangte, daß Sturm geläutet, daß die Diſtrikte zuſammenberufen und daß die

*) Wie alle techniſchen politiſchen Ausdrücke der franzöſiſchen Revolution den Griechen und Nömern entlehnt wurden, ſo iſt auh das Wort citoyen römiſch und als Erſaßwort für civis Romanns genommen worden. Daſſelbe bedeutete in

Frankreich urſprünglich den Einwohner einer großen Stadt (cité) und lautete im ¿wölſten Jahrhunderte citehain, 3