Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance
findungskraft des Künstlers bannte. Giorgione hat nach Justi häufig „auf Vorrat”, also ganz nach eigenem Geschmack gemalt, bis dann ein Liebhaber das Vorhandene für sein Studiolo erwarb. Im Falle der „drei Philosophen” und der sogenannten „Familie des Giorgione” scheint aber auch Justi — im Gegensatz zu Gronaus höchst berechtigten Einwänden — einen gelehrten Auftraggeber anzunehmen, da er sich hier Widkhoffs Deutung mit weit hergeholten Stellen aus antiken Autoren anschließt. Wie reimt sich das mit Justis intuitiv richtiger Auffassung von „Giorgiones Freiheit” zusammen? Soll die Freiheit in der souveränen Verachtung, ja dem Mißverstehen des Auftrages bestanden haben? Würde Giorgione wirklich seinen Auftraggeber zufriedengestellt, würde er auch nur annähernd dem glühenden Interesse genügt haben, mit dem man damals die heidnischen Autoren zu verstehen trachtete, wenn er seine „drei Philosophen” tatsächlich als die gewünschte Iustration zu jener Stelle in der Äneis hätte ausgeben wollen?! Auc Wichoff gibt zu, daß die Übereinstimmung mit dem 13. Gesang der Äneide mehr als allgemein ist,!!) ja er wäre wohl kaum auf Virgil überhaupt gekommen, wenn nicht Michiel in der Nachbarschaft jene heute verlorene „Höllenfahrt des Äneas” erwähnte. Nicht viel anders ist es mit der, wenn auch weit ungezwungeneren, Auslegung Schaeflers, welcher Wichoff sehr beweiskräftig widerlegt, dann aber doch selber Michiels Stimme überhört, wenn er aus den „Drei Philosophen” den Schüler Marc Aurel und zwei seiner Weisheitslehrer machen möchte. Warum hat denn Giorgione die Unterweisung nicht einmal angedeutet und den Jüngling durchaus nicht als Römer und als Prinzen gekennzeichnet? Vielleicht lag eine aktiv bewegte Gruppenbildung im Sinne der Hochrenaissance nicht in Giorgiones Art, obgleich er wahrscheinlich doch dieso dramatische „Errettung Venedigs von der Springflut” gemalt hat. Gewiß hat er auch in seinen anderen Kompositionen ein gewisses Fürsichsein jeder Gestalt nach Art des alten Andachtsbildes auf Kosten der dramatischen Verknüpftheit bevorzugt. Aber ebenso gewiß hat er niemals Bewegung und Kennzeichnung der einzelnen Figuren geradezu im Gegensatz zu dem gewählt, was geschildert werden soll. Alle sicher erklärten BilderdesGiorgione-Kreisesbestätigen diese ohnehinselbstverständlicheVor-
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