Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, стр. 261
durch eine türkiſche Kugel fand, derſelbe, welcher ſo oft als der künftige Obercommandant der Türken in einem Kriege gegen Serbien genannt wurde, war der beſte Degen des Osmanihen Reiches und bekleidete in der Armee den Rang eines Muſchirs (Feldmarſchalls). Er war im Fahre 1820 auf altberühmten Boden, nämli< in Sparta, welches damals no<h zur Türkei gehörte, geboren, Sohn eines Pächters und wurde im Alter von fünfzehn Fahren nah Conſtantinopel geſandt, um dort in der Militärſchule für ſeinen künftigen Beruf ausgebildet zu werden. Jm Fahre 1841 wurde er Mulazim (Lieutenant). Der Ausbruch des Krimkrieges fand ihn als Obexſtlieutenant in Schumla. Von dort als Ferik (Generalſtabs8<hef einer Diviſion) na< Widdin beordert, erwarb er ſih die erſten Sporen im Gefechte hei Theſate und durch ſeine Vertheidigungsarbeiten bei Kalafat und Siliſtria. Einige Monate ſpäter wurde er als General und Chef des Generalſtabes zur fkleinaſiatiſ<hen Armee verſebt, in welcher Eigenſchaft er ſih gegen die Vertheidigung von Kars ausſprach und gegen den engliſhen General Williams Recht behielt, denn Kars war nicht zu halten. Schließlih fungirte Huſſein Avni als Generalſtabschef Omer Paſchas in der Krim, um nah beendetem Kriege die Leitung der Militärſchulen zu übernehmen.
Im Fahre 1862 machte ex unter Omer Paſcha abermals einen Feldzug mit gegen Montenegro. Während des kretenſiſhen Aufſtandes war er mit der oberſten Militär- und Civilmacht auf Kreta bekleidet; im Fahre 1869 übernahm er zum erſtenmale das Kriegsminiſterium, in welcher Stellung er große Heeresreformen ausführte, wie 3. B. die Aenderung des Syſtems der Truppenaushebung. Er war überhaupt als Hauptförderer der jeßigen türkiſhen Heeresorganiſation zu betrahten. Zweimal war Huſſein Avni auch Großvezier.
Sultan Abdul Aziz bewies Huſſein Avni Paſcha ſein Vertrauen zumeiſt, al3 er ſeinen Sohn Juſſuf Jzzedin ihm zuwies, mit der Miſſion, dem Prinzen in allen militäriſchen Dingen mit ſeinem Rathe beizuſtehen. Daß dieſes Vertrauen des Sultans öfter au< die merkwürdigſten Wandlungen erlebte, iſt bei dem eigenthümlichen Charakter des Verſtorbenen wohl ſelbſtverſtändlich. Einmal wurde dasſelbe erſchüttert durh die Bemiühungen des öſterreichiſhen Botſchafters in Couſtantinopel, des Grafen Z i < y. Damals war Huſſein A vn i Großvezier und der Graf hatte allen Grund, zu glauben, daß Huſſein Avni ihm und der von ihm vertretenen Regierung niht gerade theilnehmend geſinnt ſei. Mit Hilfe anderer Factoreun war es damals dem öſterreihiſ<hen Botſchafter gelungen, den Großvezier zu ſtürzen. Lange Zeit konnte dieſer den feindſeligen Act des Grafen Zichy niht vergeſſen und es beſtand zwiſchen Beiden
254
|
deshalb ein geſpanntes Verhältniß, bis Huſſein Av ni, wieder an die Spibe der Kriegsverwaltung gerufen, des vollen Vertrauens ſeines Sultans gewiß ward und Graf Zich y dann Gelegenheit fand, ſi< mit ihm auszuſöhnen.
Huſſein Avni galt für einen ſehr energiſchen Mann; bei der Armee genoß er die höchſte Achtung, das größte Vertrauen. Seinem Einfluß allein war es zu danken, daß nicht längſt MilitärRevolten ſtattgefunden und daß die Disciplin in der türkiſchen Armee nicht gelo>ert wurde, troßdem man den Soldaten und den Officieren den Sold ſchuldig blieb und die Mannſchaſt nur äußerſt mangelhaft bekleidet war. Huſſein Avni war es, der die aufgeregten Gemüther mit einem Wort zu beſchwichtigen wußte und dem man allgemein vertraute, wenn ex auf die Zukunft vertröſtete. Es iſt befannt, daß er dem Sultan Abdul Aziz öfters in ganz unzweideutiger Weiſe Vorſtellungen darüber machte, daß er ſo viel Geld für ſeinen Harem verwende und es den Soldaten entziehe. Niemand Anderer als gerade Huſſein Avni hätte es wagen können, eine ſo entſchiedene Sprache gegen Sultan Abdul Aziz zu führen, als eben der Krieg8miniſter, von dem es bekannt war, daß hinter ihm die ganze Armee ſtehe.
Leider hatte Abdul Aziz dieſen ſeinen Diener immer nur nah deſſen Talenten und Thätigkeiten, nie aber na< ſeinem Charakter und Ehrgefühl beurtheilt. Als Lohn für alle dieſe kaiſerlichen Gnaden und Gunſtbezeigungen entwarf Huſſein Av ni im Vereine mit dem Großvezier Mehemed Ruſchdi Paſcha den Plan, Abdul Aziz zu entthronen und dafür deſſen Neffen, den entnervten und geſ<hwächten Prinzen Murad Effendi, auf den Thron der Osmanlis zu erheben. Huſſein fannte eben kein Ehrgefühl und keine Dankbarfeit ; Ehrgeiz war ſein Lebenstrieb, und da er ſah, daß er dur< die Erhebung Mura d's zum Sultan ſich einen Padiſhah auf ewig zum Dank verpflihten werde, kündigte er Abdul Aziz die Treue und half dazu, ihn vom Throne zu entfernen.
Es iſt hier niht unintereſſant zu erwähnen, daß Huſſein Avni Paſcha eine Zeit lang zu jener Partei zählte, welhe eine Aenderung der Thronfolge beabſichtigte und welche bekanntlich den Juſſuf Jzzedin auf den Thron zu ſehen beſtrebt war. Es hatte daher auch allgemein Wunder genommen, als man hörte, daß bei der Entthronung des Abdul Aziz der Kriegsminiſter einer der Hauptverſhworenen geweſen. Daß er für Murad jemals eintreten werde, hätte na< dem Vorleben Huſſein Avni's Niemand gedacht, ebenſowenig, daß er ſi< mit einem Reformtürken wie M idhat jemals verbünden würde. Man hatte nah dem Ausbruche der Mai-Kataſtrophe in Conſtantinopel allgemein als gewiß angenommen, daß zwiſhen Murad und Huſſein Avni ein dauerndes Einverſtändniß nicht beſtehen könne, daß