Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

und O8 man Paſcha gab ſogleih ſeine Zuſtimmung, wie er unter den vorwaltenden Umſtänden niht anders konnte.

Die Ruſſen kehrten über die Brücke zurück und Os8man Paſcha fuhr in einem Wagen na< Plewna. Einige Minuten ſpäter erſchien Großfürſt Nikolaus und ließ die Truppen die Revue paſſiren. Er wurde mit lautem Hurrah hegrüßt. Fndem er einen Augenbli> hielt, richtete er einige Worte an die Grenadiere, welhe mit ſtürmiſhem Fubelruf aufgenommen wurden. Die Generalität mit ihrer Suite ritt langſam wieder über die Brücke.

Die Scene hatte ſi< nun verändert und kein bewaffneter Türke war mehr zu ſehen. Die Unterredung mit Osman Paſcha hatte um zwei Uhr ſtattgefunden. Es war drei Uhr und die Türken hatten alle ihre Waffen abgelegt. Jeder Mann hatte den erhaltenen Befehl nah dem Wortlaut vollzogen und ſein Gewehr da vor ſi< in den Koth hingelegt, wo er eben geſtanden war. Die ruſſiſhen Offiziere ritten über die Gewehre langſam nah Plewna hin, als ihnen auf dem Wege der Ruf „Os8man“ entgegenſhallte. Es war in der That Osman Paſha, der auf die Kunde, daß der Großfürſt in dieſer Richtung nahe, mit ſeinem Wagen umgekehrt war, um ihm entgegenzueilen. Dsman Paſcha war von fünfzig Koſaken begleitet und ihm folgten auf türfiſhen Ponies fünfundzwanzig bis dreißig türkiſhe Offiziere.

Der Großfürſt ritt zum Wagen und dur einige Secunden bli>ten ſi die beiden Feldherren in's Geſicht, ohne ein Wort zu ſpre<hen. Dann ſtre>te der Großſürſt ſeine Hand aus, ſchüttelte herzli<h jene Os8man's, und ſagte:

„F< mache Fhnen mein Compliment zu Fhrer Vertheidigung von Plewna. Sie iſt eine der glänzendſten militäriſchen Thaten in der Geſchichte.“

Osman Paſcha lächelte traurig, erhob fi troß ſeiner Fußwunde, und ſagte - etwas. Die ruſſiſchen Offiziere riefen Alle „Bravo! Bravo!“ und grüßten voll Achtung. Prinz Karl von Rumänien reihte ihm die Hand, worauf Osman abermals aufſtand und ſih verbeugte, aber diesmal in grimmigem Schweigen.

Os man trug einen weiten, blauen Ro> ohne Abzeichen ſeines Ranges und einen rothen Fez. Man fand ihn als einen großen ſtark gebauten Mann mit einem kurzen, {warzen Bart ohne Spur von Grau, einer großen römiſhen Naſe und ſ<hwarzen Augen. Energie und Entſchloſſenheit waren jedem Zuge ſeines Geſichtes aufgeprägt und doh lag ein müder Ausdru> auf demſelben, wie er vor ſünf Monaten wohl kaum dort geweſen war.

„Es iſ ein großes Geſicht!“ rief Oberſt

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Gaillard, der franzöſiſhe Militär-Attaché. „Jh fürchtete bei ſeinem Anbli> enttäuſcht zu werden, aber er übertrifft no< mein Jdeal von ihm.“

„Es iſt das Geſicht eines großen Feldherrn!“ ſagte der junge Skobeleff, „es freut mi, ihn geſehen zu haben. O8man Ghazi iſt er, und Osman der Siegreiche wird er bleiben, troß ſeiner Capitulation!“

Die Anſicht des jungen Skobeleff wurde au< von der ganzen ruſſiſ<hen Armee getheilt. Osman Paſcha war aber au< das Vorbild der Heerſührer. Er wohnte während der ganzen Zeit der Belagerung in einem Zelte, obgleich ſehr viele anſehnliche, ſelb ſ{<óne Häuſer in Plewna ſind. Als wahrer Soldat zog er es aber vor, nahezu ebenſoviel der Unbilde des Wetters ausgeſeßt zu ſein, als ſeine Soldaten in den Verſhanzungen. Os8man Paſcha wurde nun auf ſeinem Tragbett mit ſehr vielen Rückſihten von Seite der höheren ruſſiſhen Offiziere in das Zelt des Großfürſten Nikolaus getragen. Fm Zelte beeilte man ſi<, ſeine Wunden zu verbinden, deren er drei hatte, zwei an den Armen und eine am Fuß. Einige Momente ſpäter empfing Osman Paſcha den Beſu<h des Kaiſers und des Großfürſten Nikolaus.

Kaiſer Alexander reihte ihm die Hand und ſagte zu ihm: „Sie haben den ottomani\ſhen Waffen Ehre gemacht und ſind wirkli<h ein Tapferer. Während Jhres Aufenthaltes bei uns werden Sie das Recht haben, Jhre Uniform, Fhren Säbel und Fhre Decorationen zu tragen.“ Der Kaiſer beauftragte hierauf ſeinen Leibarzt, die Pflege Os man Paſchas zu übernehmen. Man hatte den gefangenen Paſha auch verſtändigt, daß er mit ſeiner Familie und mit der Hohen Pforte correſpondiren dürfe, und daß die ruſſiſchen Telegraphen zu ſeiner Verfügung ſtehen. Auf ausdrü>lihen Befehl des Kaiſers wurden alle ottomaniſ<hen Verwundeten in die ruſſiſhen Spitäler geſchafft, wo ſie gut gepflegt wurden. Der engliſ<he Botſchafter in Conſtantinopel, Herr Layard, hatte den engliſhen Vertreter in Bukareſt beauftragt, auf Befehl des Sultans Osman Paſcha und den anderen Offizieren die Grüße und Complimente des Großherrn zu überbringen. Der Großvezier erhielt ein Telegramm in franzöſiſher Sprache von dem Brigade-General im Generalſtab von Plewna, Tefik Bey, worin er Nachricht von ſi< und von Osman Paſchas Befinden gab und hinzuſeßte, daß ſie bald na<h Bukareſt und von da nah Rußland gebracht werden würden. Sie hatten das Necht erhalten, ſih eine Stadt zu ihrem Aufenthalt zu wählen. Dieſe Nachricht wurde den