Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

RL

ihres Lebens berühren, mitzutheilen, um ſo mehr, da ſie oft entſtellte Thatſachen durch die ſ{lihte, anſpru<hsloſe Erzäh= lung derſelben am Beſten berichtigen.

Doch müſſen wix etwas zurückgreifen, um die betreffende Stelle in ihrem Zuſammenhange zu geben.

e Ï *

Endlich hatte der Krieg dur< Gottes Gnade ein Ende genommen und am 28. Decembex 1745 war dex König mit ſeinen Brüdern und ſeinen Generälen feſtlich wieder in Berlin eingezogen. Eine Zeit des Rauſches und der allgemeinen Freude trat jezt na< all den überſtandenen Aengſten ein. Der Prinz von Preußen war mit dem König gekommen und war ſehr viel in Monbijou bei feinex Mutter, die ihn beſonders liebte, und ehe i<h no<h ahnen fonnte, daß er mi<h nux beachtete, hatte ex eine Leidenſchaft für mi< gefaßt, die für ſein und mein ganzes Leben ein großes Unglück geworden iſt. Dieſe Neigung, die faſt vom erſten Augenbli> an, wo er mich wiederſah, in ihm erwachte, iſt niht raſh vergangen wie ſie raſh gekommen wax: nur zu treu und ſtandhaft hat er ſie mix bewahrt bis zuleßt. Mehr als fünf Jahre lang lebte ih von jener Zeit an no< am Hof mit ihm zuſammen, und in Wahrheit, ih habe in dieſer Zeit Alles gethan, was in meinex Macht ſtand, um dieſe Leidenſchaft zu bekämpfen und ihn davon zu heilen. Abex mein Widerſtand und meine Kälte waren umſonſt; nichts hat die Treue ſeines Gefühls erſchüttert; was ih auh that, ex blieb für mih immer dexſelbe. Jm Gegentheil, anſtatt mit der Zeit ruhiger zu wex= den, wurde ex nux immex unglücklicher und heftiger. Jm Anfang verſuchte ex mix ſein Gefühl zu verbergen, abex nah einigen Monaten gab ex dies Beſtreben plößlih auf und