Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

B. Chnuphis. Alter der Literatur. 133

haben, daß Chnuphis bei Nechepso seinen Priester durch die Himmel führte, wie in den hellenistischen Liedern Hermes, und wie der Engel in den jüdischen Apokalypsen. Damit aber ist der Beweis erbracht, daß auch dieser Typus weit über die Wende des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts heraufreicht.

Die Verehrung des Chnuphis scheint sich in hellenistischer Zeit offenbar unter dem Eindruck, daß er der Urgott und der Offenbarungsgott sei — weit verbreitet und zum Teil auch umgestaltet zu haben; auch das Bild des Gottes ändert sich; er nimmt Schlangengestalt an. Offenbar ward dies der Anlaß, den griechischen Namen "Ayadöc daiuwy auf ihn zu übertragen; höchstens kann die Bedeutung des Gottes als Erdgott und befruchtendes Prinzip (Nil) dabei mitgewirkt haben. So nimmt denn schon in ptolemäischer Zeit auch Isis, seine Gattin, dieselbe Gestalt, an und beide werden häufig als Schlangen mit Menschenhäuptern oder mit Göttersymbolen dargestellt.!) Seine Verbindung mit Horus führt dazu, der Schlange den Sperberkopf dieses Gottes zu geben.”) In seiner Eigenschaft als Sonnengott, dem der Löwe heilig ist, ward er als Schlange mit dem strahlenumkränzten Löwenhaupt dargestellt. Dieses Bild, das uns aus späteren Zaubervorschriften und Amuletten geläufig ist, erwähnt schon Nechepso in dem interessanten Fragment 29°), welches

1) Die Schlangengestalt des ’Ayradöc daluwv wird öfters in den Zaubergebeten erwähnt, vgl. oben S.31 und 27 und besonders S.29, wo er als Sonnengott 6 uerac öpıc fyobuevoc navruv tWv deWv 6 rhv Apyıv ric Aiyumrou (Blephantine) &xwv genannt wird.

2) So feiert ihn bei Philon von Byblos, der diesen ’Ayu8öc daluwv ausdrücklich mit dem „ägyptischen Kneph‘ identifiziert (Eusebios, Praep. ev. 110 p. 41), der uerıcroc iepopdvrnc kai lepoypauuarebc ’Ermeic, dessen ägyptische Schriften schon von Arejos von Herakleopolis (der Stadt des Chnum) ins Griechische übertragen waren. Philon zeigt zugleich, daß der ägyptische Öffenbarungsgott in Phönikien mit einer altheimischen Gottheit verbunden und allgemein verehrt war. Auch zu den Persern scheint der Name ziemlich früh gedrungen, vgl. Diodor I 94: mapü uev yap toic ’Apıavoic Zaßpaucrnv icropoücı TOvV "Ayadov daiuova mpocmoincacdaı Tolc vöuouc aut dıdövaı. Das ist begreiflich ; aber die Übernahme des Namens mußte die Rezeption der theologischen Literatur begünstigen, die wir später wenigstens in Mesopotamien nachweisen können. Es wäre bei dieser Sachlage an sich nicht ausgeschlossen, daß auch fremde Vorstellungen das Bild des Gottes mit beeinflussen (vgl. Zoroaster bei Philon a. a. O.).

3) Rieß a.a.0. 379. Die alte offizielle Darstellung des Gottes bleibt von der Zauberdarstellung unberührt. Die Zaubergebete zeigen uns, daß nach