Albanien und die Albanesen : Landschafts- und Charakterbilder : mit vielen Abbildungen

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ſchritten. Der Zug dex um Verzeihung Bittenden, welcher aus der Freundſchaft des Mörders beſteht, und ſich dur die entfernteren Stammesmitglieder der verleßzten Familie vergrößert, zieht vor das Haus des nächſten Verwandten. des Ermordeten. Voraus der Prieſter mit Kruzifix und Evangelium, hierauf vier bis ſe<s8 Wiegen, in. welchen Säuglinge liegen, dann der Reuige mit auf den Rücen gebundenen Händen, verbundenen Augen und einen Stri> um den Hals, an welchem ein Yatagan hängt, umgeben und bewacht von den Seinigen, um ihn gegen etwaige Wutanfälle von ſeiten der Verleßten zu beſchützen. In der Nähe des Hauſes nehmen die Männer ihre Feze ab (ein Zeichen tiefſter Demut) und legen ſie auf die Wiegen. Der Reuige wird in das Haus geführt, aus welchem alle Bewohner treten, und an das Herdfeuer ge= ſtellt. Der ihn begleitende Zug bleibt vor der Haustür und ſtellt die Wiegen in der Art vor dieſelbe, daß die Füße der Kinder gegen Oſten gerichtet ſind.

Iſt dies geſchehen, fragt der nächſte Verwandte des Ermordeten die Mitglieder des Zuges, in welcher Abſicht ſie gefommen, und was ihr Begehren ſei. Hierauf ant= wortet der Prieſter oder ein anderes Mitglied des Zuges mit einex beweglihen Rede, in welcher er etwa anführt, daß das ihnen angetane Leid freilih ſehr groß ſei, und dies der Reuige auh dadur< anerkenne, daß er ſih ge= bunden in ihre Gewalt gegeben habe; Verzeihung ſei aber niht nux des Chriſten, ſondern auh des Tapfern würdiger als Rache, und um dieſe flehe er die Be= leidigten an im Namen des Kreuzes, des Buches und dieſes unſchuldigen Blutes (der Albaneſe hat eine gewiſſe | Achtung, ja Ehrfur<ht vor dem Kinde in der Wiege, er | nennt es zum Andenken an die friſh erhaltene Taufe | Si. Johann). Darauf erfolgt eine Szene langen Sträubens | von ſeiten des Verleßten und ununterbrochenen Bittens von ſeiten der Verzeihung Suchenden, welhe enövlich