Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

Roman von Adolph Stre>fuß. 18

Aber dieſem wilden Rauſche des Entzü>ens folgte eine qualvolle Ernüchterung, wenn er zurüctdachte an manche Aeußerungen Bertha's, die ihm einen tiefen Blick in ihre Seele gewährten, dann fühlte er ſi<h plöblich eiſig erkältet und zurügeſtoßen, dann erſchien ihm ein anderes wunder= liebliches Bild, dann ſchaute ihn Lieschen mit einem Blik voll tiefer Trauer und doh voll Liebe an! An Lieschen dachte er niemals mit ſtürmiſchem Verlangen, ex fühlte ſich gehoben, veredelt, wenn ſeine Erinnerung bei ihr weilte. Sie erſchien ihm iwie der gute Engel, dex ihn emporgehoben hatte aus dem Schlamm feines vergangenen Lebens, in welchen der böſe Engel mit den feurigen dunklen Mg ihn wieder hinabzuziehen beſtrebt war!

Liebte ex Bertha? Liebte er Lieschen? Ex ‘ioufite es nicht. Bertha übte auf ihn eine dämoniſche Gewalt, Lies= hen einen feenhaften, aber mächtigen Zauber aus. Seine Seele ſ{hwankte zwiſchen Beiden in einem Kampfe, dex ihm die Ruhe raubte, der ſeinen Willen unterjohte, ihn un= fähig machte, zu einem feſten Entſchluſſe zu kommen.

Vielleicht brachte ihm der Zufall die Erlöſung!

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Herr v. Oſternau hatte eine ſchlechte Nacht gehabt. Der Brief des Predigers Widmann hatte ihn mehr erregt, als er es ſi< merfen laſſen wollte. Hätte er ſi<h mit feiner treuen Lebenêgefährtin über das fatale Schreiben aus= ſprechen können, dann würde er wohl {nell zur Ruhe ge= tommen ſein, aber dies wollte er niht thun, denn ex fürchtete, Frau v. Oſternau werde aus dem Briefe des Predi=